Schule des Rades
Arnold Keyserling
Weisheit des Rades
3. Lichtleib des Geistes
Mitose
Aber es gibt auch das Selbst, die eigene Wurzel. Das magische Kind ist sprachlich in seinem Namen ansprechbar, doch der Kraftleib des Körpers hat seine Steuerung aus dem Mikrokosmos.
Die Vereinigung von Same und Ei erzeugt in der Polarisation und Verschmelzung der Chromosomen die Urzelle. Der Vorgang der Mitose folgt dem Enneagramm: das Dreieck veranschaulicht die drei Keimblätter als Grundlage der Kontinuität, des Beharrens: Entoderm im Pluto, Mesoderm im Neptun, und Ektoderm im Uranus.
Die zweite Ordnung der mannigfaltigen Figur im Enneagramm in der Reihenfolge · 7 · 1 · 4 · 2 · 8 · 5 · ordnet den Menschen über ein Viertel seiner Zellen, also zusätzlich zum dreifältigen Keimblatt, in die Gattung, die Generationenfolge ein:
- I –Widder,Nervensystem als Koordinator.
- II –Stier,gestaltbildende Kräfte mit endokrinen Drüsen, Haut und Sinnesorgane.
- III –Zwillinge,Atmungsorgane.
- IV –Krebs,Verdauungsorgane.
- V –Löwe,Blut und Kreislaufsystem.
- VI –Jungfrau,Urogenital-System.
- VII –Waage,Nieren und Entgiftungssystem.
- VIII –Skorpion,Bewegungssystem, Muskeln, Geschlechtsorgane.
- IX –Schütze,Stoffwechselsystem mit Leber als Zentralorgan.
- X –Steinbock,Gelenke und Lymphsystem.
- XI –Wassermann,Skelett.
- XII –Fische,Retikulo-endotheliales System mit Knochenmark und Milz.
Somit hat der Mensch zwei Ordnungen: die Keimblätter zeigen seine Entelechie, seine Strebenskraft, die von der Empfängnis über die Geburt bis zum Tod seine Identität ausmacht. Die mannigfaltige Figur bestimmt die Teilhabe an der ewigen Gattung, am Menschen im All, dessen organischer Innenbau die Zahl 56/58 entspricht dem Unterschied zwischen Lebenskreis und Saturnwiederkehr — den physiologischen Aspekt des Tierkreises bedeutet.
Aber die Steuerung der Zellen die den Organismus schaffen und aufrechterhalten, ist mikrokosmisch, sie liegt im Genom der molekularen Struktur.
Vom Gesichtspunkt der Befreiung ist das Leben, wie der Buddha sagt, ein Leidenskampf; das Kind weint, wenn es auf die Welt kommt. Der Sterbende, wenn er nicht im Todeskampf verharrt, wirkt heiter, und jene, die nach klinischem Tod zurückgekommen sind, sprechen von einer unsagbar freudigen orgiastischen Erfahrung. Wie kann man nun diese Erfahrung zum Ansatz der Individualität machen und den Kraftleib in seiner Wurzel erwecken, sodass man bereits im Leben im Nachtodlichen verankert ist und damit die Zufälle der Entwicklungen und ihre Krisen als Schritte akzeptiert — wie kann man die magische Norm des Heils erlangen? Die orphische Tradition verkündet: es geschieht durch Umstellung der Lichter, durch Erkenntnis der mineralischen Grundstruktur.
Die Tafel der chemischen Elemente erhellt uns den Zusammenhang. 23 ist die Anzahl der menschlichen Geschlechtschromosomen, 46, also zwei mal 23, enthalten das Genom in jeder Zelle des Körpers; aus diesen sind alle Entfaltungen abgeblockt, die nicht der jeweiligen Funktion zugehören Nasenzelle bleibt Nasenzelle und wird nicht plötzlich Augenzelle.
92 natürliche Elemente bestimmen das Uratom. 23 davon sind Elemente der Eisengruppe, 9, und der seltenen Erden, 14, zur VIII. und IX. Gruppe gehörig. 3 × 23 = 69 sind die übrigen Elemente im Achterkreis, die ihre Steuerung in der Kohlenstoffgruppe und in den Edelgasen, in Wachstumsprinzip und Vollendungsprinzip haben.
Werden die drei Keimblätter, die im Rad dem sprachlichen Denken zugehören, ohne Rücksicht auf die genetische Steuerung betrachtet, dann bildet sich ein Ichbild aus Lernen (3) Gesellschaft (6) und Zivilisation (9). Doch wenn der Mensch im Uratom erkennt, welches mineralische Element als nicht dem Tod unterworfen seiner Steuerung zugrundeliegt — wie das Magnesium im Chlorophyll — dann erkennt er hinter seiner Individualität einen tiefen Mangel. Dieser Mangel ist das erste Mal durch die homöopathische Medizin von Hahnemann ergründet worden, doch nur vom medizinischen und nicht vom philosophischen Gesichtspunkt.
Für die Geschlechtszellen ist der Individualitätscharakter der Keimblätter ein Parasit, für das individuelle Dreieck die Einordnung in die Gattung; daher der klägliche Versuch durch Keuschheit die Triebe zu überwinden. Tatsächlich muss der Mensch sein Element erkennen, dass ihn krank macht, und das seiner sonst statischen Individualität als dynamischer Antrieb zugrundeliegt. Im magischen Kind offenbart sich Gott als Urkraft, als Mangel — Allah heißt die Sehnsucht des Verdurstenden nach Wasser. Wer seinen Mangel hinter der Steuerung akzeptiert und sein Element findet, für den ist die ganze Existenz orphischer Aufstieg. Dieser Weg ist durch Hippokrates konzipiert worden, aber erst die neuesten Erkenntnisse der Naturwissenschaft haben uns ermöglicht, die gesamten Entsprechungen aufzudecken, sodass nicht eine Krankheit von Nöten ist, um sein Element zu entdecken. Den Weg hierzu habe ich in meiner Alphysik
beschrieben. Diese Erkenntnis des Mangels ist die physikalische Formulierung dessen, was die Urchristen als Sündigkeit bezeichneten.