Schule des Rades

Arnold Keyserling

Weisheit des Rades

6. Kosmische Einstimmung

Vokale

Die neun Konsonanten haben ihren Ort im untersten Chakra des Empfindens; der Hauchlaut des Geistes im obersten Chakra.

Vokale sind Klangfarben. Es gibt fünf verschiedene ursprüngliche Vokale, die sich tonal genau bestimmen lassen, U O A E I. Die anderen sind Zwischenglieder wie bei den Konsonanten.

Obwohl praktisch eine unendliche Anzahl von Vokalen erzeugt werden könnte, finden sich nur diese fünf in allen Sprachen bevorzugt, weil sie der b — Tonart entstammen, die im Rad jene des Wassermann ist. Jeder Vokal erklingt in einem anderen Körperbereich:

das A in der Höhe des Herzens entspricht dem Wollen;
das O in der Höhe des Nabels dem Fühlen;
das U in der Höhe des Bewegungszentrums dem Denken;
das E in der Höhe des Halses entspricht dem Körper;
das I in der Höhe des Stirnauges entspricht der Seele.

Umlaute verbinden je zwei Chakras: Ö = O und E, Ü = U und E, Ä = A und E. Doch Schwerpunkte der Stimme sind nur die 5.

Das Gewahrsein ist der Zusammenhang mit dem All und hat kein Chakra, sondern es ist das eigentliche Subjekt des Menschen, seine Teilhabe an der kosmischen Gattung.

Die Konsonanten ermöglichen uns, die Deutung in allen Lauten zu finden. Die Vokale dagegen, den Zusammenhang mit dem Kosmos zu wahren. Die Chakras sind keine Organe, sondern zu entwickelnde Bindeglieder zwischen Wortleib, Kraftleib und Lichtleib.

C h a k r a s

Betrachten wir nun die Entsprechungen als Schlüssel zur Verbindung der drei Personen zum Wesen:

Laute Chakras
H
I
E
A
O
U

Konso-
nanten
7  Sahasrara
6  Ajna
5  Vishuddha
4  Anahata
3  Manipura
2  Swaddhistana
1  Muladhara
Kraftleib Wortleib Lichtleib
Neocortex
limbisches System
Stammhirn
Kreislauf
Stoffwechsel
Atmung
Sinneskoordinaten
Geist
Seele
Körper
wollen
fühlen
denken
empfinden
Ganzheit
Ahnen
Leben
Tiere
Pflanzen
Mineral
Feuer
  • Das Empfinden der Sinne ist Erleben der Kraft der Wirklichkeit, des Feuers. Wird die Energie absorbiert, dann erweckt sie die unassoziative Wahrnehmung. Die Zeit ist wirklich, die Sinne eröffnen einen gegebenen Ausschnitt der Wirklichkeit über die linke Hemisphäre.
  • Das Denken ist auf die Mineralwelt, die Werkzeuge gerichtet, erkennt Elemente und Zusammenhänge über das Wollen und wird von der Atmung getragen.
  • Das Fühlen erlebt die Triebe nach Maßgabe des Stoffwechsels und steht mit der Welt der Pflanzen in Beziehung, verlangt immer wieder Rückkehr zum Vertrauen, weil Wachstum nur durch Hingabe möglich ist.
  • Das Wollen ist die Verbindung mit den Tieren, von denen jedes über die Instinkte seinen Platz in der Natur kennt und als Merkwelt und Wirkwelt ausfüllt.
  • Der Körper wirkt über das Stammhirn in seiner Kraft und Bewegung bewusst und eröffnet den Zugang zum Kraftleib über das Genom, seinen Schlüssel, dessen Tendenzen in Träumen aufscheinen.
  • Die Seele trägt in sich die Sehnsucht zur Entfaltung und Liebe und ist in Zusammenhang mit den Ahnen. Der Mensch weiß ferner in diesem Chakra durch sein Gewissen die jeweils angemessene Handlung, wenn er sich nicht im Ichbild abkapselt.
  • Der Geist schließlich ist das intuitive, ganzheitliche Erleben der jeweils gegebenen höchsten Möglichkeit, die als Vision über den weisen Alten zugänglich wird.

Im embryonalen Vorgang der Mitose entsteht der Kraftleib in seinen Funktionen in der Reihenfolge der Chakras:

  • Geist entspricht der Befruchtung,
  • Seele der Polarisation der Chromosomen von Vater und Mutter,
  • Körper der Bildung der Urzelle und der drei Keimblätter.
  • Dann beginnt der Herzschlag als spätere Grundlage des Wollens,
  • der Stoffwechsel als jene des Fühlens.
  • Die Geburt ist die große Klippe mit den Wehen, dem Austreten und dem ersten Atemzug. Außerhalb des Mutterleibs beginnt das Denken im ersten Schrei
  • und bis zum dritten Monat die Koordination der Sinne.

Die Schmerzschwelle der Geburt fixiert den wachsenden Menschen auf denken und empfinden, bis der Mut zur zweiten Geburt, zur Bekehrung, zur Rückbindung erwacht, deren Schwelle die Aufsichnahme des Leidens des Fühlens ist.

Durch die Vokale im Zusammenhang mit der Bedeutung der Konsonanten und des Hauchlauts kann der Zugang zu den Chakras eröffnet werden. Ha z. B. heilt das Wollen im Lachen. La gibt Heiterkeit im Zusammenspiel. Wer Schwierigkeiten hat seinen Willen zu stärken, spricht in Indien RAM, Erfüllung des Wollens durch Geborgenheit. Verstärkt wird die Wirkung der Chakra-Interaktion durch Kenntnis der musikalischen Beziehungen, die zwischen den Tönen besteht. Helmholtz hat gezeigt, dass die Vokale alle Klangfarben des Tones b sind. Bei u ist der charakteristische Oberton f, bei o : b, bei a die Oktave b, bei e : b und f, bei i die Teiltöne d und f.

Nun hat der siebte Oberton eine Sonderrolle: er erzeugt nur stehende Wellen, weil einer seiner Untertöne, 22 / 7 dem Zahlenwert Pi gleichkommt und dieses Verhältnis nach dem Gesetz der Intervalle für alle Ober- und Untertöne gilt, die der 7 entspringen. Aus diesem Grunde haben wir, wie schon erwähnt, eine elektronische Orgel entworfen, die die Oktave mittels des temperierten siebten Obertonintervalls in fünf gleiche Teile gliedert und bei welcher der mittlere Ton des Wollens, 16 Hertz. das Vielfache der Erdsekunde, dem Laut a entspricht. Durch Singen dieser Intervalle, die musikalisch konsonant erlebt werden, erreicht man technisch eine Einstimmung in die Tonhöhen der Chakras, was deren Integration erleichtert.

Wir haben die Entsprechungen der zwölf Tierkreiszeichen zu Ton und Farbe im ersten Kapitel beschrieben; jede der Bedeutungen ist ein Kriterium des Verstehens. Spielen und singen im Rahmen der Tonleiter erzeugt die entsprechende Stimmung, die die Grundlage der indischen Ragas bildete:

c
Widder hebt die Person hervor.
g
Stier potenziert die Gestaltungsfähigkeit.
d
Zwillinge erweckt die Assoziations­fähigkeit.
a
Krebs vertieft die Emotion.
e
Löwe erheitert das Wesen im Spiel.
h
Jungfrau vermittelt Einblick in die Arbeitsvorgänge.
fis
Waage öffnet den Zugang zur Gesellschaft.
cis
Skorpion gibt Mut.
gis
Schütze begeistert zum Finden der eigenen Richtung.
dis
Steinbock lässt die Verantwortung erspüren.
b
Wassermann, der Ton der Stimme, bringt Einstimmung in die Freundschaft.
f
Fische lässt die Sehnsucht nach dem Heil alle Schlacken wegschwemmen.

Nur Bach hat bisher diese Tonleitern im Wohltemperierten Klavier in ihrer Tiefe dargestellt; denken wir an seine Worte, er wolle zeigen, dass es keine Begleitung in der Musik gibt, weil jede Stimme ihre eigene Melodie hat: so sei die Musik das Urbild der freien menschlichen Kommunion. Somit ist das musikalische Verständnis des Menschen und der Zivilisation die Voraussetzung, dass jeder nicht nur seine Stimme erkennt und erlebt, sondern in das große Konzert der kosmischen Menschheit einstimmt.

Doch diese Einstimmung verlangt ein neues Verständnis des Menschen in der Evolution, das ebenfalls von den Orphikern konzipiert wurde, aber erst heute in der Wandlung des naturwissenschaftlichen Weltbildes als Rahmen des Bewusstseins zu einer neuen Kosmogonie führt.

Arnold Keyserling
Weisheit des Rades · 1985
Orphische Gnosis
© 1998- Schule des Rades
HOMEDas RAD