Schule des Rades

Wilhelmine Keyserling

Mensch zwischen Himmel und Erde

II. Der Tierkreis:Mensch im All

Zwölf Tage

Wenn wir versuchen, im Tierkreis der Wesensart der zwölf Monate gewahr zu werden, gehen wir vom Sonnenlauf aus. Im Bilde des Menschen im All erkennen wir den zwölffältigen Zeitkreis des Jahres; unsere Fortschritte und Probleme sowie öffentliche Ereignisse im Zeitgeschehen erfahren wir als ein Mitwirken in der Welt. Auch ein Versagen wird zum Ansatz möglicher Wandlung. Persönliche Erfahrungen führen zum Verständnis des Ganzen. Die Frage ist nicht wer bin ich, sonder wer bist Du.

In den Zwölf Tagen, die wir jedes Jahr vor dem Fest der Unschuld, dem Südfest vor Weihnachten durchschreiten, ist es umgekehrt. Wir gehen durch den Häuserkreis, den Kreis unserer Motivationen, und das bedeutet tatsächlich eine persönliche Läuterung und Erkenntnis der eigenen Lage — des Horoskops.

Wir blicken in den eigenen Spiegel der Zeit und merken dann auch, wie unser Rad der Motivationen vom Tierkreis umfasst, im Allmenschen eingebettet ist. Dies ist eine Art Vision Quest wie ihn die Indianer durchführen, wenn sie allein in die Wüste oder die Berge gehen, um in Stillehalten und Fasten, in Anrufung der geistigen Mächte, ihre Beziehung zu Himmel und Erde zu erneuern. Was mir an einer Erzählung, die ich darüber las, besonders gefiel, war, dass es da nicht unbedingt um außergewöhnliche Visionen ging, sondern um eine Qualität der Aufmerksamkeit und Leere, die ein gewöhnliches Ereignis — eine Ameise, die von rechts nach links über den Stein kriecht — zu Zeichen werden lassen. Die Zeichen werden nicht gleich gedeutet, sondern erst nachträglich gemeinsam mit den Alten, die den einsamen Sucher nach seiner Reise empfangen und in die Gemeinschaft zurückführen.

Wir ziehen uns in den Zwölf Tagen nicht in die Einsamkeit zurück sondern versuchen vielmehr wie die Moslem im Ramadan unseren täglichen Gepflogenheiten nachzugehen, leer zu sein und als Zeuge des Geschehens Einblick zu gewinnen. Vor dem Einschlafen besinnen wir uns auf den nächsten Tag:

I. Seele-wollen, Haus des Ich als Person, in seiner Auswirkung. Wachet und betet: die zwölf Tage ermöglichen uns, wachsam zu sein. Wenn ich mir sage, ich will bewusster leben, ist das ein schöner Vorsatz, der sich aber kaum erfüllen wird, wenn kein bestimmter und begrenzter Ansatz da ist. Im Raster der Zwölf kann es mir gelingen.

Am ersten Tag mag mir dann — ohne dass ich mich nun mit meinem Vorhaben identifiziere (es bleibt unterschwellig in der dritten Aufmerksamkeit) auffallen, wann und wie ich mich durchsetze, mir selbst vertraue oder auch nicht, wie ich andere bestätige, mich ihnen zuwende etc. — und — das ist wesentlich — was Durchsetzen, was Person überhaupt heißt und beinhaltet. Immer komme ich dem Verständnis: das ist es, so ist es etwas näher. Durch mich, meine Freude oder meine Schwierigkeit verstehe ich ein Es, eine Planetenwirkung, eine Zeitqualität, ein Du, einen Aspekt des Großen Menschen oder eine Erfahrung der Verbundenheit mit dem Einenden Einen tiefer. Wenn die Polarität ich — Es, ich — du, ich — All nicht trägt, wird die Selbsterfahrung zum Egotrip.

II. Vor dem zweiten Tag besinne ich mich auf alles, was meine Beziehung zum Objekt, Körper-empfinden betrifft.

III. Am dritten bemerke ich, was mir in Bezug auf Werdegang und Lernen, Geist-denken, Information und Erkenntnis zukommt usw.

Jeder fällt an manchen Tagen in Verzweiflung und merkt erst beim gemeinsamen Abendbericht, was ihm schwer fällt, und wie er Lösung suchen könnte. Die zwölf heilenden Nächte helfen uns über die Träume. Die Planetenkräfte melden sich. Die Zwölf Tage sind ein Erfahren des Geburtshoroskops, eine Integration der Wirkkräfte als Anlage um Leben zu gestalten; und Integration ist nur im Zwölferrahmen möglich.

Nach der gemeinsamen Rundfahrt, wo wir im gleichen Boot sitzen, löst sich die Gruppe wieder auf. Vielleicht haben sich Freundschaften geknüpft.
Eine Charakteristik der neuen Zeit ist es, dass ein Team (III) zusammentritt, um etwas bestimmtes durchzuführen; es darf aber kein hierarchischer Zusammenhang fixiert werden; dass auch die neue Gesellschaft ein unsichtbares Netzwerk ist (VII) und das Reich (XI), das die Menschheit unserer Welt erfassen müsste, um eine Kosmische Einstimmung und Übereinstimmung zu erreichen; dass dieses Reich, das die Lebenskräfte der Erde fruchtbar werden lässt, ein unsichtbares bleibt. Es besteht aus zigtausend Einzelnen, die in ihrem Denken und Tun an eine Einstellung herangekommen sind, die sie miteinander verbindet, auch ohne dass sie einander kennen — wie der Intervall die Töne in der Musik. Die unsichtbaren Silberfäden, die alle in hohem Maß Verantwortlichen miteinander verbinden, mögen zu einer sanften Macht werden, die das Zeitalter des Friedens trägt.

Die Wassermannzeit ist auch jene, die am Geist der Ahnen der Menschheit anknüpfend (SO) über das ganz konkrete Körper-denken in zeitgemäßer Sprache einen geistigen Rahmen erarbeitet, der das Universum als Wirkeinheit erfasst. Sie ist auf das Ganze gerichtet, nicht in hierarchisch statischer Ordnung, sondern als Wirkzusammenhang. Das Horoskop hilft uns, die Gesamtheit unserer Wirkanlage zu schauen und in den Zwölf Tagen zu erfahren. In den Zwölf Monaten erkennen wir uns in der Teilnahme am Zeitgeist. Die Planeten tauchen dabei auch in ihrer augenblicklichen kurzgeschichtlichen Rolle der Transite auf und wir erleben über den Planeten des Jahres den Zusammenhang mit dem Weltenjahr; in einem Zehnjahreszyklus sind wir an das Weltenjahr angeschlossen, indem die Planetenkräfte nach dem Zahlenwert im Enneagramm, der

L U Z I F E R
0
J U P I T E R
1
V E N U S
2
U R A N U S
3
M O N D
4
M E R K U R
5
N E P T U N
6
M A R S
7
S A T U R N
8
P L U T O
9

Das nullte Jahr der Wassermannzeit vom 4. Februar 1962 bis 4. Februar 1963 war von Luzifer geprägt, der sich aber erst im zehnten Jahr offenbarte. Das erste von Jupiter eröffnete die neue Synthese; im zweiten der Venus wurden die Gestaltungskräfte bewusst, im dritten von Uranus der Zusammenhang erkannt. Im vierten Jahr wurde der Rhythmus offensichtlich, als am Tage des Neujahres die russische Sonde auf dem Mond landete.
Eine Freundin fragte mich jedes Jahr, was ihr der Planet bringen werde: gar nichts. Diese bestimmte Schwingung wird für den einzelnen erst tragend in der Hingabe, wenn er seine begrenzten Begabungen, sein kurzes Leben als Mitwirken an der Menschheit, am Weltenjahr versteht.

Jeder Zeitkreis kehrt an seinen Ursprung zurück; das wäre eine ewige Wiederholung, wenn wir damit nicht im nächstweitläufigeren Kreis fortschritten. So ist das Neujahr für uns immer sehr erregend. Wir wissen, dass uns diese Planetenschwingung erst in zehn Jahren wieder zukommt, um unser Leben zu erfüllen und damit am größeren Ganzen mitzuwirken; und das allumfassendste Ganze ist eben das Ganze. Es gibt nur eines, das ganz ist.

Wilhelmine Keyserling
Mensch zwischen Himmel und Erde · 1985
II. Der Tierkreis:Mensch im All
© 1998- Schule des Rades
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