Schule des Rades

Arnold Keyserling

Die neue Schule der Weisheit

Die zweite Schule der Weisheit

Prajnaparamitrasutra, 160 v. Chr.

Mit der Fischezeit begann mit der Sekte der Mahasamgika die zweite Schule der Weisheit, wahrscheinlich in Zusammenhang mit der Tatsache, dass durch Kaiser Ashoka der Buddhismus im Norden Indiens um 290 v. Chr. zur Staatsreligion wurde. Nun trennten sich die konservativen Vertreter der Theravadim (Widderzeit) von denen des sogenannten Großen Fahrzeugs, Mahayana, das nicht nur Menschen, sondern alle Wesen aufnehmen kann. Anstatt des einfachen Ziels der Arhat treten nun drei neue Vorstellungen auf, die man auf folgende Überlieferung zurückführen kann. Letztlich ist jener, der nur nach seiner persönlichen Befreiung strebt, ein Egoist also ohne großen Nutzen für das All. Das Gewahrsein, Prana, kann dann aufrechterhalten werden, wenn man sich über die Meditation hinaus um die Befreiung aller Wesen bemüht, mit denen man in Natur- und Geistreichen in Berührung kommt — man ist dann ein Bodhisattva, der das Ideal des Arhat übersteigt. An die Stelle einer Verkörperung tritt der Zustand der Leere, Sunya, mathematisch die Null. Zufolge der Formulierung der Hauptvertreter dieser Schule, der Savrasti, gibt es drei Wege zur Erleuchtung:

Der erste betrifft die Schüler, die durch Askese den Zustand des Arhat erreichen. Der zweite findet sie aus sich selbst, wie in unserer Zeit Ramana Maharshi — auch wenn dieser die begriffliche Formulierung des Advaita-Vedanta vorzog. Es gibt drittens die wahren Buddhas, die die vollständige Kenntnis des Dharma besitzen — vollständig im Sinne all dessen, was sie angeht.

So tritt zur Leere und zum Bodhisattva die Allwissenheit hinzu. Was auf europäisch oft als Größenwahn interpretiert wurde doch in diesem Zusammenhang dem vorsokratischen Postulat entspricht, keine Meinung (doxa) zu vertreten, sondern sich auf das verstandene Wissen der existentiellen Wahrheit (episteme) zu beschränken.

Arnold Keyserling
Die neue Schule der Weisheit · 1991
Studienkreis KRITERION
© 1998- Schule des Rades
HOMEDas RAD