Schule des Rades

Arnold Keyserling

Vernünftige Hermetik

9. Analogie

Herbert Pietschmann erklärt als theoretischer Physiker: Naturwissenschaft im klassischen Sinn geht nicht auf Wahrheit, sondern auf operative Gewissheit. Doch der Mensch in seinem Wissen des Seins zum Tode bedarf den Rahmen der gesamten inneren und äußeren Wirklichkeit. Dieser ist nur zugänglich über die Analogie, also die Tätigkeit des rechten, imaginalen Gehirns. Gleicher Sinn entsteht nicht durch die digitale Logik der linken Hemisphäre, sondern durch Anerkennung von Raumrichtungen, Zeitmaßen und Zahlen insbesondere Ziffern als Qualitäten und Kriterien. Wie die großen Räder der Rosenkreuzer oder der indischen Yantras muss der Mensch die Gesamtheit des Wissens in einem Urbild zur Verfügung haben (Leibniz und Lao Tse) um am Werk der Erde mitzuarbeiten. Gott ist für die Hermetik nicht der Herr sondern der Demiurg, der Werkmeister. Wir sind Mitarbeiter der Schöpfung. Wie C. G. Jung kündet, verläuft die kosmische Entfaltung über den einzelnen, durch dessen Schaffen und Erkennen Gott immer mehr Mensch wird. Damit können die einzelnen wie das Kollektiv aus dem boehmschen Reich des Grimms in das Reich der Freude überwechseln. Zitieren wir hierzu Ralf Liedtke:

Analogiebildung, so instruiert die Hermetik, setzt Glauben, setzt genauer gesagt religiösen Glauben voraus. Das ist als ein hermetisches Axiom zunächst anzuerkennen. Wo analogiebildend gedacht wird, so kann man unabhängig von hermetischen Intentionen zunächst einmal feststellen, da ist neben einer durchgängigen Ähnlichkeit auch in gleichem Maße mit Unähnlichkeit zu rechen, die beide zusammengenommen erst den lebensweltlichen Widerspruch und die reale Komplementariät und Komplexität der Welt ausmachen. Ihr Zusammenbestehen kann — hermetisch gedacht — nur ein göttliches Wesen gewährleisten.
Arnold Keyserling
Vernünftige Hermetik · 1999
Studienkreis KRITERION
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HOMEDas RAD