Schule des Rades
Árpád Romándy
Ursprung und Sinn des Qigong
Obwohl die Tradition des Qigong in den letzten Jahren innerhalb und außerhalb Chinas immer mehr Verbreitung findet, wird jedoch kaum ernsthaft nach Herkunft und Sinn dieser alten Techniken gefragt. Die Chinesen schreiben dem Qigong zwar ein Alter von 5.000 bis 7.000 Jahren zu, sprechen aber bezüglich dessen Herkunft nur von einem über die Jahrtausende erworbenen Erfahrungswissen oder verlieren sich in mythischen traditionellen Formulierungen. Die Frage nach dem Sinn wird meist nur im therapeutischen Rahmen gestellt und manchmal — selten — im Kontext der taoistischen, buddhistischen oder konfuzianischen Überlieferungen. Tatsächlich ist es aber möglich, das Grundwissen, das den vielfältigen jetzt existenten Formen des Qigong zugrundeliegt, zu bestimmen und aus der chinesischen Tradition herauszuschälen. Die beiden klassischen Werke des Laozi und Zhuangzi sind in diesem Zusammenhang am wesentlichsten, da sie die Verbindung zu den nichtschriftlichen Traditionen der chinesischen Frühzeit bilden.
Wir müssen bedenken, dass wir überall auf der Welt den Mythos des Goldenen Zeitalters finden. Das Goldene Zeitalter ist eine Metapher für die Zeit, als der Mensch noch direkt mit den Göttern, Geistern und Ahnen kommunizieren konnte, als es noch möglich war, zum Himmel auf- und in die Unterwelt niederzusteigen, für eine Zeit, als sich der Mensch noch im Einklang mit der Natur befand. Das Wissen dieses Goldenen Zeitalters wird auch heute noch von den sogenannten primitiven
Völkern bewahrt, vor allem durch die Schamanen. Schamane zu sein heißt, diese uranfängliche Einheit von Mensch und Natur zu verwirklichen, mit Steinen, Pflanzen und Tieren zu reden wie auch mit den jenseitigen Mächten — mit anderen Worten also Zugang zu einer anderen Ebene des Seins zu besitzen. Wissenschaftlich formuliert, hat der Schamane die beiden Gehirnhemisphären verbunden, das linke und das rechte Gehirn, Wachen und Traum, wodurch er nicht nur mehr in der Ganzheit lebt, sondern auch heilend wirkt, kann er doch dem einzelnen helfen, sich ebenfalls in das große Ganze einzufügen. Es ist wichtig, dies kurz zu erwähnen, da die taoistische Schule, vor allem Laozi und Zhuangzi, die sowohl für die Entwicklung der chinesischen Metaphysik als auch im Rahmen des Qigong von großer Bedeutung sind, direkt mit der Tradition des chinesischen Schamanismus in Beziehung gebracht werden können. Man kann sagen, dass sie dieses alte Wissen nicht nur nicht verloren hatten, sondern ihm sogar eine neue Gestalt gaben.
Laozi stammte aus Chu. Chu war ein großer Staat im Süden des damaligen Reiches der Mitte, ein gebirgiges Land mit Wäldern, Sümpfen und Flüssen, dessen Einwohner von den Nordchinesen als unzivilisiert und kulturlos angesehen wurden. Die alte schamanische Religion war in diesem Gebiet immer noch lebendig, wie wir auch am Beispiel Qu Yuans erkennen können, eines der berühmtesten Dichter Chinas, der ebenfalls aus dieser Gegend stammte und dessen Gedichte genau die schamanische Erfahrung der Reise zu den Göttern, Geistern und Feen beschreiben. Man kann von einem Geist von Chu sprechen, einem schamanischen Hintergrund des Denkens, der natürlich auch das Werk von Laozi durchzieht. Und auch bei Zhuangzi finden wir ähnliche Zusammenhänge.
Zhuangzi stammte aus Meng, einem kleinen Gebiet im damaligen Staat Song. Es war der Ort, an dem nach dem Sturz der früheren Shang-Dynastie (16.-11. Jh. v. Chr.) deren Nachkommen lebten, und wo die alten Shang-Traditionen noch bewahrt wurden. Die alte Shang-Kultur war ebenfalls von einem starken schamanischen Geist geprägt. Stellt man die Shang den auf sie folgenden Zhou (11.- 3. Jh. v. Chr.) gegenüber, so kann man sagen, dass die Shang noch in der Einheit von Diesseits und Jenseits lebten, während die Verbindung von Diesseits und Jenseits von den Zhou bewusst abgebrochen wurde, um in der Folge das Hauptaugenmerk auf die Entwicklung eines unabhängigen Ich zu richten. Darum heißt es traditionellerweise, dass die Shang die Geister verehrten, die Zhou hingegen größte Betonung auf die Entwicklung der menschlichen Kultur legten.
Wir sehen also, dass sowohl Laozi als auch Zhuangzi Erben einer alten schamanischen Tradition waren, dass sie Zugang zum alten Wissen hatten und ihr Denken darauf bauen konnten. Und dies wiederum hat direkt mit den Techniken zu tun, die die modernen Chinesen Qigong nennen und die in alter Zeit Kultivierung des Dao
oder Übung von Wesen und himmlischem Auftrag
hießen, da das Wesentliche des Qigong uns eben in der Formulierung von Laozi bzw. Zhuangzi verständlich wird. Beide verstanden Qigong als Mittel zur Vereinigung mit dem Absoluten, mit dem Dao; Laozi durch das Erreichen der höchsten Stille und Leere und Zhuangzi durch die Übung, die er Sitzen und Vergessen
nennt.
Der chinesische Qigong ist ein sehr komplexes Phänomen. Laozi und Zhuangzi nur als alte Meister des Qigong zu betrachten wäre nicht richtig, aber sie kannten die Überlieferung, und obwohl viele Inhalte und Techniken des Qigong erst in späterer Zeit entwickelt wurden, können selbst diese späteren Vorstellungen auf das Denken von Laozi und Zhuangzi und damit letzten Endes auf den chinesischen Schamanismus rückbezogen werden. Im heutigen China ist dieser geschichtliche Ansatz Tabu und kein zeitgenössischer Meister des Qigong würde solche Zusammenhänge sehen, um so mehr, als schon in früherer Zeit, vor allem unter dem starken rationalen Einfluss des Konfuzianismus, das schamanische Erbe zuerst bewusst und schließlich unbewusst unterdrückt wurde. Für uns ist aber wichtig, dies zu verstehen, da heute die Entwicklung des unabhängigen Ich nicht mehr im Vordergrund steht, sondern vielmehr an dieser ansetzend die Rückbindung an die Natur und alle Wesenheiten und das Wiederfinden der Ganzheit wesentlich werden. Andernfalls wird der Sinn dieser alten chinesischen Überlieferung missverstanden und geht hinter dem doch fremden Äußeren verloren.
Wenn wir über Ganzheit sprechen, ist es interessant, den Begriff shengren
, berufener Heiliger, zu erwähnen, den Laozi für denjenigen verwendet, der den Sinn verwirklicht und das Dao erreicht hat. Izutsu, ein japanischer Gelehrter, hat gezeigt, dass der Terminus shetig
etymologisch einen Menschen bedeutet, dessen Ohröffnungen außerordentlich empfänglich sind. Es ist mit anderen Worten ein Mensch, der mit der unsichtbaren Welt kommunizieren kann, mit den Geistern und Göttern, der die Stimmen des Jenseits hören und verstehen kann, also ein Schamane oder Priester, womit wir wieder auf die oben erwähnten Zusammenhänge stoßen.
Auch zwischen den alten Mythen und der taoistischen Kosmogonie bzw. Kosmologie bestehen Gemeinsamkeiten. Die Grundstruktur der taoistischen Kosmogonie ist folgende: Vor dem Urbeginn der Schöpfung finden wir das Nicht-sein oder das Chaos. Aus dem Chaos, aus der formlosen Leere entsteht die alldurchdringende Kraft Qi. Der leichte Anteil des Qi steigt auf und formt den Himmel, der schwere Anteil sinkt ab und bildet die Erde. Aus dem Verkehr zwischen Himmel und Erde entstehen schließlich alle Wesen. Und auch in den alten Mythen finden wir das allem zugrundeliegende Chaos.
Izutsu zitiert einen Mythos über den chinesischen Gott Jiang, der in Gestalt eines Vogels auf einem heiligen Berg lebt. Er hat keine Augen und ein amorphes Gesicht, versteht es jedoch sehr gut zu singen und zu tanzen. Der Ausdruck, mittels dessen das Gesicht des Vogels beschrieben wird, lautet hundun
— chaotisch — und wird ansonsten als Begriff immer im Zusammenhang mit dem Uranfang verwendet.
Denken wir daran, dass Singen und Tanzen auf der ganzen Welt ekstatische Mittel sind, durch die Schamanen Raum und Zeit überschreiten und zum Ursprung (oder Chaos) zurückkehren konnten, so sehen wir in dieser mythischen Formulierung die Quelle der späteren, enstatischen — wie Mircea Eliade sagen würde — Verfahren, sich mit diesem Ursprung zu verbinden. In der schamanischen Erfahrung ist das Chaos ein bizarrer Vogel, in der taoistischen Überlieferung der formlose, leere Urbeginn des Universums und es ist möglich, entweder durch die ekstatischen Methoden des Singens und Tanzens oder durch die enstatischen taoistischen Techniken den Weg zurück zu diesem lebensspendenden Chaos zu finden. Bei Zhuangzi finden wir dies sehr klar ausgedruckt:
Die, die sich jenseits der Grenzen der normalen Existenz bewegen, sind die, die sich mit dem Schöpfer und Verwandler selbst vereinen können und die sich daran freuen, in der uranfänglichen Einheit des Qi zu sein, noch bevor es sich in Himmel und Erde teilte.
Einer der Ursprünge des chinesischen Qigong ist also der aus dem Schamanismus stammende Gedanke, dass wir den Weg zurück zum Chaos des Urbeginns gehen müssen, um zu unserer vitalen Energie und damit zu unserer Individualität durchzustoßen. Die Wurzel der eigenen Kreativität zu finden und somit wirklich zu werden ist einer der zentralen Inhalte des Qigong.
Laozi und Zhuangzi stimmen beide darin überein, dass die Wirklichkeit chaotisch ist und dass der scheinbar geordneten, kosmischen Struktur der Welt das Chaos zugrundeliegt. Heute können wir dies rational verstehen, hat doch die Chaostheorie gezeigt, dass sich unsere 4-dimensionale Welt durch 4 Attraktoren aus dem Chaos entfaltet, wobei der Ansatzpunkt bei der 0 oder in den Worten Laozis beim Nicht-sein liegt. Die ganze Kreativität der Natur und auch des Menschen kann solcherart kritisch verstanden werden. Zhuangzi spielt darauf an, wenn er meint, dass wir die vielfältige Realität der unterscheidbaren Dinge transzendieren können, um das Gewahrsein zu erreichen, das die Verwirklichung des absoluten Einsseins oder die Vereinigung mit der großen Singularität bedeutet.
Laozi und Zhuangzi betonen immer wieder, dass das Normalbewusstsein des Menschen zersplittert ist, solange es nicht an seine chaotische Wurzel rückgebunden ist. Zhuangzi erzählt in diesem Zusammenhang seine berühmte Geschichte des Herrschers Hundun (Chaos) des mittleren Reiches, der oft vom Herrscher Shu (Vergänglich) des Südmeeres und dem Herrscher Hu (Flüchtig) des Nordmeeres besucht wurde. Da diese von Hundun immer aufs Beste aufgenommen wurden, überlegten sie, wie sie ihm dessen Güte vergelten könnten. Sie sprachen darüber, dass alle Menschen sieben Öffnungen hätten, zum Sehen, Hören, Essen und Atmen, nur er habe keine und sie entschlossen sich, ihm welche zu bohren. Das taten sie nun, bohrten jeden Tag ein Loch in seinen Körper, bis am siebenten Tag Hundun schließlich starb.
Dasselbe beschreibt Laozi:Gewöhnliche Menschen erschöpfen ihre Augen und Ohren, um Unterscheidungen innerhalb der vielfältigen Welt zu treffen, der berufene Heilige hingegen bewahrt sich einen offenen Geist und hält diesen allem gegenüber in einem Zustand des Chaos.
Die Frage stellt sich nun, wie es möglich ist, diesen chaotischen Zustand zu erreichen. Laozi meint, es sei einfach, man müsse nur das Äußerste an Stille und Leere erreichen, Zhuangzi hingegen geht mehr ins Detail und beschreibt die Methode des Sitzens und Vergessens. Sitzen und Vergessen heißt, sich sowohl der körperlichen Form als auch des assoziativen Bewusstseins zu entledigen, um dadurch vom Bewusstsein zum Gewahrsein zu gelangen und so mit der alldurchdringenden Macht, also dem Dao und dem uranfänglichen Qi, eins zu werden.
An dieser Stelle ist es nötig, kurz auf das Radwissen zurückzugreifen. Das Bewusstsein ist durch 4 Funktionen (Empfinden, Denken, Fühlen und Wollen) und 3 Bereiche (Körper, Seele und Geist) gekennzeichnet, die getrennt (Funktionen) bzw. verbunden (Bereiche) werden müssen. Durch die Kombination der 4 mit den 3 entsteht das 12-fältige Rad des Bewusstseins. Wie kommen wir aber vom Bewusstsein zum Gewahrsein?
Dies ist dann möglich, wenn wir verstehen, dass das Bewusstsein immer auf den grundlegenden Zustand der inneren Stille und Leere, auf chinesisch Xu
bezogen sein muss, oder anders ausgedrückt, wenn wir verstehen, dass das Bewusstsein von der Null generiert wird. Ein Bewusstsein, das nicht in der inneren Leere wurzelt, ist zersplittert und desintegriert. Zhuangzis Sitzen und Vergessen zielt ab auf das Erreichen von Xu, der Leere, um zu überwinden, was er Sitzen und Galoppieren
nennt, nämlich die normale assoziative Tätigkeit des Bewusstseins.
Die konkrete Verfahrensweise beim Sitzen und Vergessen nennt Zhuangzi das Fasten
oder die Reinigung des Bewusstseins
. In einer erfundenen Geschichte über Konfuzius beantwortet dieser die Frage eines Schülers folgendermaßen:
Das Fasten des Bewusstseins zielt auf einen Zustand der Einheit. Höre nicht mit deinen Ohren, sondern mit deinem Bewusstsein. Dann höre nicht mit deinem Bewusstsein, sondern mit dem Qi. Das Ohr ist begrenzt auf das Hören, das Bewusstsein ist auf äußere Objekte begrenzt. Das Qi hingegen ist leer und wandelt sich mit allen Dingen. Das Dao ist vollkommen leer. Die innere Leere zu erreichen, nennt man das Fasten des Bewusstseins.
Anders ausgedrückt wird die innere Stille dann zugänglich, wenn die Aufmerksamkeit verschoben wird und sich auf das Qi richtet, das eine potentielle Verbindung zum Ursprung und damit den Zugang zur nullhaften Wurzel unserer Kreativität bildet.
Diese nullhafte Wurzel kann auf zwei Arten betrachtet werden — zeitlich und räumlich.
Zeitlich ist es der Augenblick oder die nullte Dimension, der Bereich der natürlichen Zahlen und des Gewahrseins, beschrieben z. B. in einer der späteren taoistischen Kosmogonien, wo geschildert wird, dass aus dem Chaos die 9 Qi entstanden, diese 9 Qi dann miteinander in Beziehung traten und so Himmel, Erde und alle Wesen schufen. Und im Daoyi Hanshan Bijue lesen wir:
Das Dao als Null ist der Anfang des Qi. Der Kreis ist Qi und die Gerade die Zahl. Kreis und Zahl sind in der Form voneinander verschieden, essentiell sind sie aber einander gleich. Ursprünglich sind sie nicht-zwei. Das bedeutet: Von gleichem Ursprung, aber mit verschiedenen Namen. Die Zahlen von 1 bis 5 sind der Ursprung der Vielfalt der Dinge. Ursprung bedeutet: endlos schöpferisch. Die Zahlen von 6 bis 10 sind die Wurzel der Dinge. Wurzel bedeutet: Wiederkehr und Erneuerung des Lebens. Daher wirken Schöpfung und Vollendung immer gemeinsam und Erneuerung und Ursprung sind eins. So wird die himmlische Eins der irdischen Sechs zugesellt, die irdische Zwei der himmlischen Sieben, die himmlische Drei der irdischen Acht, die irdische Vier der himmlischen Neun und die himmlische Fünf der irdischen Zehn. Im Ganzen genommen gibt das 55. Die himmlischen Ziffern ergeben die Summe 25 als Schöpfung, während die irdischen Ziffern die Summe 30 als Vollendung ergeben. Sie laufen in einer Linie weiter in der Schöpfung. Dies wird bezeichnet als Dao der Rückkehr zur Wurzel und der Erneuerung des Lebens
(Zitat ausKreisen des Lichts— Mokusen Miyuki). —
Gewahrsein und ursprüngliches Qi bedeuten also das Verständnis der Zahl, aus dem Augenblick die Zahlen zu wählen und sie zu aktualisieren, indem sie als kreative Prinzipien verwendet werden, wie im Westen Pythagoras in einem rationalen Zugang in der Figur des Chi gezeigt hat.
Der emblematischen Bedeutung der Zahlen kann man sich durch die praktische Erfahrung des Qi nähren.
0 oder Wuji, das Grenzenlose, heißt, die innere Stille zu erreichen, den inneren Dialog und somit die assoziative Tätigkeit des Bewusstseins anzuhalten.
- bedeutet die Verwirklichung des Taiji, indem Aufmerksamkeit und Qi so verbunden werden, dass Körper und Umwelt als Einheit erlebt werden können.
- ist das Verständnis von Yin und Yang. Die Abwärtsbewegung des Qi ist Yin, die Aufwärtsbewegung Yang, die zentripetale Bewegung ist Yin, die zentrifugale Yang, Bewegung im Uhrzeigersinn ist Yang, gegen den Uhrzeigersinn Yin. Die linke Körperhälfte ist Yang, die rechte Yin, die obere Yang, die untere Yin, die hintere Yang, die vordere Yin. Bewegung ist Yang, Ruhe ist Yin, die Aufmerksamkeit ist Yang, das Zentrum unter dem Nabel, dem die Aufmerksamkeit verbunden wird, ist Yin, usw.
- heißt sich als Mensch zwischen Himmel und Erde zu orten, den Fluss des Qi zwischen Himmel und Erde zu erfahren, wobei durch die Verbindung von Atem, Aufmerksamkeit und körperlicher Bewegung die 3 Dantian, die 3 Elixierfelder, aktiviert werden, die wiederum den sogenannten
3 Schätzen
entsprechen, auf chinesisch Jing, Qi und Shen, die wir als den substantiellen, den energetischen und den Informationsaspekt des Qi verstehen können. - heißt den Wandel von Yin und Yang zu verstehen, den Wandel von altem Yin zu jungem Yang zu altem Yang zu jungem Yin zu altem Yin usw., also vom Keim bis zur Vollendung und zu einem Neubeginn.
- bedeutet die 5 Wandlungsphasen (Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser), die im Qigong und in der chinesischen Medizin bestimmten Leitbahnen bzw. bestimmten Punkten auf den Leitbahnen wie auch bestimmten inneren Organen entsprechen (welche aber energetisch und nicht substantiell zu verstehen sind). Die Kenntnis der 5 Wandlungsphasen dient der Überwindung der Stagnation und hilft, wieder in den Fluss zu kommen.
- Es gibt 6 Paare energetischer Leitbahnen, welche durch die 7 aktiviert werden können.
- ist die Erfahrung der Chakras, die entlang der zentralen Leitbahn zu finden sind, welche von den Chinesen als die ursprüngliche Leitbahn angesehen wird, aus der sich im Verlauf der Evolution alle anderen Leitbahnen entwickelt haben.
- ist die Erfahrung der Qi der Richtungen mit ihren unterschiedlichen Qualitäten in Entsprechung zu den 8 Trigrammen des Buches der Wandlungen.
- sind die Qi der Planeten und die Möglichkeit, eines der 9 chaotischen Qi für das Handeln zu wählen. 6 und 9 (in ihrer Bedeutung als Wandlung von Yin zu Yang und Yang zu Yin) oder ihre Vielfachen werden oft verwendet, um die Yin- und Yangenergien auszugleichen und dadurch den Zustand der Einheit oder des Taiji zu erreichen.
- Das chinesische Zeichen für 10 ist ein Kreuz und versinnbildlicht sowohl den kreativen Ursprung des Qi als auch die Rückkehr zu dieser Quelle. — Dies ist natürlich nur ein Teil der emblematischen Bedeutung der Zahlen, da sie hier nur in Beziehung zur praktischen Erfahrung des Qigong beschrieben sind.
Räumlich verstanden bedeutet die 0, eine Mitte zu schaffen und korrespondiert mit der 4. Dimension des Kontinuums und der komplexen Zahlen. Mitte ist einerseits die Mitte zwischen Himmel und Erde und andererseits die Öffnung gegenüber den 8 Richtungen. Mitte bedeutet den Zugang zur Kraft der Selbstorganisation, die dem Zentrum der Erde entspringt, und der im Qigong dadurch erreicht wird, dass der Schwerpunkt in das untere Dantian unter dem Nabel verlegt wird, und bedeutet ebenfalls die wahre Aufmerksamkeit, die sich durch das Gleichgewicht zwischen Sonne und Mond, linkem und rechtem Auge, Wachen und Traum entwickelt. Mensch zwischen Himmel und Erde meint also einerseits die Verwurzelung in der Erdmitte und andererseits die wahre Aufmerksamkeit, wie sie durch den Polarstern symbolisiert wird.
Wir müssen die 4. Dimension im Bild des Hyperkubus verstehen. Die 4. Dimension oder das energetische Kontinuum kann vom Subjekt nicht getrennt werden. Qi oder die Verbindung mit dem Ganzen gibt es nur dort, wo auch ein Subjekt existiert. Die Erfahrung des Qi ist ein Verschieben der Aufmerksamkeit vom normalen Bewusstsein zum Qi-Gewahrsein, welches potentiell grenzenlos ist, wodurch erst ein wahres Subjekt, verbunden mit der großen Singularität, geschaffen wird.
Die Übung des Qigong bedeutet, sich auf die Ost-West-Achse des Rades einzustimmen, auf die Achse zwischen Gewahrsein und Wollen, zwischen dem schöpferischen Qian und dem empfangenden Kun . Zwischen Osten und Westen befindet man sich im Zwielicht zwischen Tag und Nacht; können wir die Aufmerksamkeit in diesem Zwielicht halten, ist es möglich, das zu erlangen, was die Chinesen das leere und wirkliche eine Qi, das dem Himmel vorangeht
nennen. Darum ist es im Qigong so wichtig, einen chaotischen Bewusstseinszustand zu erreichen, weil nur er das Tor zum kreativen Bereich des Qi öffnet. Laozi beschreibt dies folgendermaßen: Das Dao schafft alle Dinge, fließend, schwankend. Fließend, schwankend, sind darin Bilder. Schwankend, fließend, sind darin Dinge. Unauslotbar und dunkel, sind darin Keime. Diese Keime sind vollkommen wirklich, es sind Zeichen darin.
— Wenn wir uns auf chaotische Weise dem Augenblick verbinden (fließend) und uns zwischen Himmel, Erde und den 8 Richtungen zentrieren (schwankend), uns also in der Mitte des Hyperkubus finden, dann können wir die keimhafte Information erlangen, die der Wirklichkeit und der Kreativität zugrundeliegt.
Die Alchimisten späterer Zeit nannten das Einstimmen der Aufmerksamkeit auf das Zwielicht zwischen Tag und Nacht die Vereinigung von Feuer und Wasser
oder das Nehmen von Kan, um Li zu ergänzen
. Alle Yangaktivität ist Feuer, vor allem die Aktivität der Aufmerksamkeit, alle Yinaktivität ist Wasser. Symbolisiert werden beide durch die Trigramme Li und Kan . Wasser und Feuer sind dem Himmel nachfolgendes
Qi, von dem der Weg zurück zum Vorhimmel gefunden werden muss. Durch Regulation von Aufmerksamkeit, Atem und Körper ist es möglich, Qian und Kun zu erreichen, indem Li das eine Yang von Kan aufnimmt und damit zu Qian wird, und Kan das eine Yin von Li aufnimmt und sich in Kun verwandelt. Qian im Osten ist ursprüngliches Yang, Ursprung und Kraft des Gewahrseins. Kun im Westen ist ursprüngliches Yin, Kraft des Wollens, verständlich durch die Iteration und die komplexen Zahlen. Qian und Kun zu erreichen, heißt zur 0 zurückzukehren, dadurch immer in den Anfängen zu sein und wie das Empfangende den Keim des Anfangs aufzunehmen und zu seiner Gestaltung zu bringen, also die Schöpferkraft von Himmel und Erde in sich zu verwirklichen.
Die Chinesen zeigten großes Interesse an der Frage nach der Beschaffenheit unserer Wirklichkeit. Wie wir bei Laozi und Zhuangzi gesehen haben, war für sie wesentlich, die grundlegende Einheit unter aller Vielfalt der Erscheinungen zu erkennen. Und nicht nur diese zu erkennen, sondern auch zu erfahren, damit Verbindung zur Quelle zu haben und selbst wirklich zu werden. Eigentlich bedeutet Qigong nichts anderes als ein Einfügen des Menschen in die Natur, horizontal wie auch vertikal, um dadurch zweifältig zu leben, gleichzeitig im Ursprung wie auch im Pleroma. Im Rad ist die einzig wirkliche Achse die Ost-West-Achse zwischen der 0. Dimension des Augenblicks und der 4. Dimension des Raum-Zeit-Kontinuums. Qigong ist der Versuch, sich auf diese Achse einzustimmen, um zumindest für Augenblicke ein wenig mehr in Kommunion mit der Wirklichkeit zu sein und manchmal wirklich die alldurchdringende Einheit der 0 in Zeit und Raum zu erfahren.