Schule des Rades

Dago Vlasits

Vom Sinn der Zahl - Teil I

Im Gewahrsein der Zahl

E i n s
Z w e i
D r e i
V i e r
F ü n f
S e c h s
S i e b e n
A c h t
N e u n

In der Mathematik als Formalwissenschaft werden 5 Zahlenarten unterschieden, natürliche, ganze, rationale, reelle und komplexe Zahlen. Der erste Schritt, durch welchen sich die Mathematik in einen Weg der Weisheit wandelt, ist gemacht, wenn die Arithmetik der zeithaften Zahlen mit der Geometrie der räumlichen Dimensionen vereint wird.

Bei diesem Weg werden nicht alle Zahlenarten bis auf die komplexe einfach auf einer Zahlengeraden veranschaulicht, wie es in der formalen Mathematik üblich ist, sondern jede Zahlenart wird einer anderen Dimension zugeordnet. Die ganzen Zahlen gehören der linearen 1. Dimension zu, die rationalen der flächigen 2. Dimension und die reellen der volumenhaften 3. Dimension. Alle drei sind als Abstraktionen zu verstehen, denn der reale Raum ist 4-dimensional. Er ist nicht bloß durch abstrakte geometrische Beziehungen zu charakterisieren, sondern in ihm vollzieht sich Wirkung, er ist die jetzt sich ereignende Wirklichkeit. Diese vierte Dimension wird formal durch die komplexen Zahlen erfasst, jede ist ein Kraftvektor, besitzt eine räumliche Orientierung und eine Größe, der Vektorpfeil besitzt also eine Richtung und seine Länge bestimmt die Kraft.

Die natürlichen Zahlen aber gehören zur punkthaften 0. Dimension. Sie sind also nicht-räumlich, denn einen Punkt im Raum gibt es nicht. Somit sind sie für sich genommen eigentlich nicht darstellbar, was soll auch in einem Punkt dargestellt werden? Vom Punkt meint Frege, dass sich über ihn geometrisch nichts aussagen lässt. Und doch ist uns die nullte Dimension zugänglich, aber nur dem lebendigen Subjekt im Gewahrsein des Augenblicks, dem Ursprung der Zeit.

Die natürlichen Zahlen entsprechen keinen besonderen Gegenständen unserer Erfahrung, sind aber die Voraussetzung aller erfahrenen Bewusstseinsinhalte. Sie sind allgegenwärtig und so selbstverständlich, dass wir üblicherweise ihrer gar nicht gewahrwerden, genausowenig wie wir uns der Grammatik bewusst sind, wenn wir sprechen. Für sich genommen nicht darstellbar kommen die natürlichen Zahlen jedoch in jeder Erfahrung zur Darstellung, und was sie erzeugen, ist der Sinn. Beispiel: Die Komplementarität von Welle und Teilchen gehört einem völlig anderen Bedeutungszusammenhang an als die Komplementarität von analoger rechter und digitaler linker Gehirnhemisphäre. Ebenso liegen Welten zwischen der Bedeutung, die in der Anziehung und Abstoßung zweier Teilchen zum Ausdruck kommt, und etwa der Anziehung und Abstoßung zwischen zwei Menschen. Die Bedeutungen mögen sehr verschieden sein, doch die Zweifältigkeit der erwähnten Beispiele lässt sie am gemeinsamen Sinn der 2 teilhaben.

Jede Zahlenart ist in der Zahlenart der nächsthöheren Dimension enthalten, womit die natürlichen Zahlen als einzige alle 5 Dimensionen durchdringen. Welcher Sinn auch in welcher Dimension begriffen wird, die Sinngebung entstammt der 0 und den 9 natürlichen Zahlen, den Ziffern. Sie sind die Chiffren des Sinnes.

1 schafft Einheit und Identität. Jeder ist Einer und mit sich selbst identisch, es ist die Erfahrung der Identität und Subjekthaftigkeit. In ihrer Einheit sind aber auch alle Subjekte identisch, womit das Gewahrwerden der 1 zur Erkenntnis des einen, alldurchdringenden göttlichen Subjekts wird. Doch im Gewahrwerden der Einheit werden wir auch des unbegriffenen und ungeschauten Hintergrunds gewahr, in welchen die Einheit gleichsam eingebettet ist und welchem sie entspringt. Die natürliche Einheit ist keine statische, quasi räumliche Substanz, sondern von Augenblick zu Augenblick wird sie aus der Leere geboren und stirbt wieder in sie hinein. Dies gilt für jede der 9 Zahlen, also 1 ist eigentlich 01, 2 ist 02, die natürliche 3 ist 03 etc. Mit dem Erreichen der Zehn ist die natürliche Periodik erfüllt, 10 ist Vollendung und wieder Ursprung und somit der 0 gleichzusetzen, welcher wiederum die Einheit entspringt.

Physikalisch ist das Quant die Einheit, alles was es gibt, ist ein Vielfaches von ihm. Es ist keine spezifische Energie, sondern wird der Dimension der Wirkung zugerechnet. Das Plancksche Wirkungsquant ℎ ist das Einheitsmaß für alle erscheinende Energie, aber auch das Maß für die fundamentale Unschärfe aller Erscheinungen, wie Heisenberg gezeigt hat. Dass in jedem Beobachtungsakt der Objektivierung eine Grenze gesetzt ist, immer ein nicht zu fassender Rest sich der Verdinglichung entzieht, weist das Quantum als Vertreter der 0. Dimension aus. Doch auch das All als Ganzes stellt sich im Lichte der Quantenphysik als in Raum und Zeit unausgedehnt heraus. Das Bellsche Theorem ist der mathematische Nachweis, dass die Welt nicht in voneinander getrennte Objekte zerfällt, sondern als ein einziges Quantenobjekt jenseits von Raum und Zeit zu betrachten ist. Inzwischen wurde dies auch experimentell erhärtet. Voneinander weit entfernte Teilchen stimmen sich augenblicklich aufeinander ein, ohne dass ein Informationsaustausch stattgefunden hätte, welcher wegen der Lichtgeschwindigkeit ja immer eine bestimmte Zeitdauer erfordern würde.

Wenn alles auf die Einheit und diese auf die nullhafte Leere als ihren Ursprung zurückzuführen ist, wie entsteht dann die Vielheit der erscheinenden Objekte? Mit der 2 tritt die Einheit sich selbst gegenüber, es entsteht Gegensatz und Komplementarität. Zwei ist die Ur-Teilung, hier entsteht die Vielheit durch Teilung und Vermehrung des Gleichen, beginnend mit der Zweiheit von Subjekt und Objekt. Werde ich ihrer Identität gewahr, bin ich wieder in der unterschiedslosen Einheit. Doch das Vermögen der Zweiheit besteht darin, dass sie die Identität in der Vielheit erzeugt und erhält.

Seine musikalisch-mathematische Grundlage hat dies im von Pythagoras entdeckten Gesetz der Oktave. Halbieren oder Verdoppeln einer Saite führt zum identischen Tonwert, nur auf verschiedenen Tonhöhen. Auf zellulärer Ebene erzeugt die Teilung zwei identische Zellen, beruhend auf dem Kopieren der beiden komplementären DNS-Strängen. So ist die 2 nicht bloß als einfacher Schritt von 1 nach 2 zu verstehen, sondern als der Beginn der Oktavierung, der Reihe 1 – 2 – 4 – 8… folgend, wie es etwa in der Zellvermehrung zu beobachten ist. Mit der Zwei hebt also ein Algorithmus an, welcher eine Vielheit von identischen Wesen erzeugt.

Die experimentelle Mathematik der Chaosforschung hat das esoterische Gesetz der Oktavierung in einer ungeheuren Weise erweitert, nämlich als Prinzip der Selbstähnlichkeit. Selbstähnliche Muster werden in allen Schichten der Wirklichkeit durch Iteration, durch Wiederholung einer gleichbleibenden Rechenoperation erzeugt. Während also die 1 die Einheit der Identität bestimmt, erschafft die 2 Identität oder vielmehr Selbstähnlichkeit, nun als dauernde Substanz in der Raumzeit.

Die Materie global betrachtend, wird also durch die 2 das spontane Quantum zum beharrenden Mineral, mit seiner Fähigkeit des Wachsens durch Reproduktion des gleichen Musters, wie etwa im Kristallisationsprozess.

Wir haben die natürlichen Zahlen als nulldimensional erkannt, zugänglich nur der Erfahrung des Augenblicks, den Sinn offenbarend. Taoistisch ist der Sinn, über den man sprechen kann, nicht der ewige Sinn. Der ewige, unaussprechliche Sinn ist die Leere, in welcher alle beschränkenden Kategorien vernichtet sind, mathematisch die 0. Doch Sinn ist auch in der Vielfalt der Erscheinungen. Über ihn kann ich reden, und zwar als ewigen Sinn, wenn ich ihn als Zahl, als Fältigkeit fasse, welche der Null entspringt und auf sie rückführbar ist.

Alle Materie oder Energie ist fleischgewordenes Wort, und Wort ist immer Bedeutung. Ich kann von der Schöpfung im Urknall oder von der göttlichen Schöpfung sprechen, von elektrischen Entladungen oder vom blitzeschleudernden Zeus. Bedeutung ist immer kontextabhängig, dem Wissenschaftler bedeutet das aus dem Nichts erscheinende Licht etwas anderes als dem alten Griechen. Beide haben aber an dem gleichen Sinn teil, das Auftauchen des raumzeitlichen Phänomens aus der Singularität des Nichts. Den einen mag der Sinn erfüllen, dem anderen mag aber der Sinn so selbstverständlich sein, dass er seiner gar nicht gewahr wird.

Über die Zahl ist also aus jedem räumlich erscheinenden Phänomen der Sinn zu erschließen. Zeitloser Sinn und räumliche Bedeutung sind im Ursprung vereint, wenn wir den nullhaften Punkt und seine möglichen symmetrischen Anordnungen in der Fläche betrachten.

Wenn wir uns damit auch in der 2. Dimension bewegen, bleiben wir doch insofern in der nullhaften Leere, als alles rein Mathematische immer leer ist, nämlich leer von phänomenalen und sprachlichen Bedeutungen. Wenn auch etwa das Bild des Dreiecks die erste mögliche räumliche Bedeutung der natürlichen Zahl 3 ist, ist das Dreieck für sich genommen genauso bedeutungsleer wie die Gleichung 3 + 4 = 7. Doch Dreieck wie auch Gleichung bergen einen Sinn, welcher in Sätzen wie 3 + 4 = 8, oder Die Winkelsumme eines ebenen Dreiecks ist 74°, nicht gegeben ist. Sie sind sinnlos.

Als Heisenberg die von den Mathematikern bereits entwickelte Matrizentechnik als passend für die Quantenwelt vorfand, erschloss sich ihm der Sinn der Quantenwelt. Doch Mathematik ist eben nicht nur eine Spezialdisziplin für Physiker und Mathematiker, sondern die Funktionsweise unseres Gewahrseins. Jeder Mensch auf dem Weg der Weisheit sucht aus der Fülle der Bedeutungen zum einen Sinn durchzustoßen. Dieser ist immer mathematisch.

Das Bild für die 1 ist ein Punkt, also Einheit und Nulldimensionalität zugleich. Er ist eigenschaftslos, an ihm ist nichts unterscheidbar. Er ist das, was sich in allem gleicht, und er hat keine besondere Beziehung zu etwas anderem, sondern ist Allbezogenheit. Der Punkt ist die Mitte des Universums, und er hat seinen Ort im Überall, er ist das einzige Subjekt und die einzige Substanz, die es gibt.

Zwei Punkte sind Voraussetzung und Ergebnis der zweifältigen Unterscheidung, nun eine lineare Beziehung und Trennung erzeugend. Wenn wir von Subjekt und Objekt, Teilung einer Saite oder der Zellteilung sprechen, geschieht dies immer bereits auf dem unbewussten oder vielmehr überbewussten Hintergrund dieses Urbildes, zwei Punkte linear verbunden bzw. getrennt.

Drei Punkte zu einem Dreieck vereint sind das Urbild der Ziffer 3. Mit ihr wird die Einheit zum zeitlichen Prozess, nun Anfang, Mitte und Ende bildend, auf welches wieder ein neuer Anfang folgt. Das Eine Göttliche, das sich in der zeitlichen Wirklichkeit als Dreiheit manifestiert, finden wir im Brahmanismus als Trimurti: Brahma, der Schöpfer, Vishnu, der Erhalter und Shiva, der Zerstörer des Universums, welches im Unnennbaren, im Brahman aufgehoben ist. Die christliche Dreifaltigkeit von Vater, Sohn und Heiliger Geist meint den gleichen Sinn, doch die Akzente in der Bedeutungsgebung etwas anders setzend.

Im übrigen sind alle Unterschiede zwischen den Religionen von dieser Art. In jeder Tradition ist der Sinn durch andere begriffliche Be-Deutungen besetzt, mit unterschiedlichen Gewichtungen oder überhaupt den Sinn einer bestimmten Zahl bevorzugend. Auf der Ebene des bedeutenden Wortes sind die Unterschiede nicht zu überwinden, nur der Durchbruch zum zahlhaften Sinn ermöglicht die wahre Ökumene zwischen allen Religionen.

So erfließt für die orthodoxen Christen die Gnade vom Vater, für die Katholiken vom Sohn und für die Protestanten vom Heiligen Geist. Das Judentum als anderes Beispiel betrachtend, fällt uns der sechsfältige Davidsstern ins Auge. Eine mögliche und zugleich zentrale Bedeutung der Sechs ist die Urfamilie von Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Sohn und Tochter, alles Rollen, welche die gesellschaftliche Dynamik bestimmen. Das menschliche Ideal im Judentum ist der Zaddik, der Gerechte, welcher in eben dieser Gesellschaft Gerechtigkeit walten lässt. Im Unterschied zum esoterischen, magischen Ansatz der Ägypter ist hier die Heiligung des Alltags in der Gemeinschaft der Weg zu Gott, welcher als Gesetzgeber erlebt wird. Zugleich ist er Einer und mit der Forderung der Bildlosigkeit an seinen nullhaften Ursprung gemahnend.

Versuchen wir nun weiter in den Sinn der 3 einzudringen, indem wir weitere mögliche Bedeutungen betrachten. Bedeutungen, die weniger dem dichterischen Vermögen des Menschen entspringen wie bei den religiösen Bekenntnissen, sondern vielmehr in einer verbindlichen Weise vorliegen, sind die von den empirischen Wissenschaften erforschten Sachverhalte. In diesem Jahrhundert wurde erkannt, dass unser Universum vor rund 15 Milliarden Jahren seinen Anfang im Urknall genommen hat, gegenwärtig eine expansive Phase durchläuft, und in Zukunft wahrscheinlich in einer universellen Kontraktion sein Ende finden wird. Ob es nun zu dieser Kontraktion kommt oder ob die Expansion weitergeht und das All vollständig zerstrahlt, ist heute noch eine offene Frage, ändert aber nichts an der Tatsache, dass am Ende die Vernichtung steht. Auf jeden Falle prägt die 3 dem Universum die zeitliche Struktur von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf.

Die Dreiheit verwandelt und schafft Neues, was wir kosmisch als Evolution wahrnehmen. Diese Evolution vollzieht sich zwischen Entropie und Negentropie, zwischen dem dissipativen Niedergang der Energie und den selbstorganisierenden Systemen, die diese Energie verwenden. Was als Drittes und Mittleres geschöpft und erhalten wird, ist neue Information.

Musikalisch erschließt sich der Sinn der 3 im Begreifen der Quinte. Dem pythagoräischen Gesetz der Obertöne folgend, erkennen wir den Grundton als die Einheit der Identität, als Intervall ist es die Prim. Halbieren oder Verdoppeln der Saite führt zu identischen Tonwerten auf verschiedenen Tonhöhen — die Oktave der Selbstähnlichkeit. Erst die Drittelung der Saite erzeugt im Verhältnis zum Ausgangswert einen neuen Ton, nun den Intervall der Quinte bildend. Dieser Intervall, welcher auf der Dreiteilung beruht, ist also die Grundlage unseres Schreitens durch die Zeit, wobei jeder Schritt zu etwas Neuem führt. Doch zwölf temperierte Quinten im Fortschritt führen wieder zum Grundton zurück, wodurch der 12-fältige Quintenzirkel mit 84 Halbtönen aufgespannt wird, welcher als Raster der Astrologie von zentraler Bedeutung für den Werdegang des Individuums ist. Dadurch bestimmt die 3 nicht nur die Dynamik einzelner Lernschritte im Sinne von Ansatz, Ziel und Methode oder den Erkenntnisakt als Analyse, Urteil und Synthese. Ihr systemischer Zusammenhang ist im 84-jährigen Lebenskreis gegeben, der dem Menschen einen ganzheitlichen Entwicklungsweg eröffnet, bei welchem alle 7 Jahre ein anderes Thema aktualisiert wird. Als solches erschöpft sich die Dynamik der 3 nicht im Erklettern der Stufenleiter einer Karriere, sondern befruchtet das organische Wachstum zu menschlicher Vollendung. Ein mythisches Urbild ist Herakles, welcher durch die 12 Arbeiten Unsterblichkeit erlangt.

Jede Zahl bildet einen Zugang zum Göttlichen, jede kann aber auch, wenn der Sinn verlorengeht, diesen Zugang verschließen. Die 1 wird zum Bekenner des Einen Gottes, jener wie dieser in seiner Eifersucht nichts anderes neben sich duldend. Die 2 verhärtet sich zum ehernen Gesetz von Gut und Böse, das Übel mehrend. Die 3 wird dem denkenden Menschen zu einer sinnlosen Dialektik, die einen im Gefängnis der Rationalität festhält und uns fragwürdige Revolutionen und den Fortschrittswahn beschert. In allen Fällen wird hier der Sinn deshalb verloren, weil die Null verloren geht. Sie ist ursprünglich für jede Zahl als die nächsthöhere Zahl präsent. Für die 1 ist die Null das Zweite als das ganz Andere. Hier wird sie zum lebendigen, zum göttlichen und menschlichen Gegenüber — das einsame Bekenntnis muss in den Dialog münden. Für die 2 ist die Null das nicht ausgeschlossene Dritte, der rettende Einfall des Augenblicks, welcher aus dem Zwiespalt führt. Für die bloß dialektische 3 ist das Vierte die zusammenfügende Ganzheit, die Null als Auge Gottes im Zentrum des Dreiecks — die erkennende 3 wird zur erleuchteten Schau. Wir haben nur dann am göttlichen Subjekt und der Dynamik seiner Schöpfung teil, wenn wir unsere eigene Subjekthaftigkeit dreifältig begreifen, als Mensch zwischen Himmel und Erde. Die drei Subjekte sind das triebhafte Selbst des Kraftleibes, das intentionale Ich des Lichtleibes und das unsterbliche Wesen des Wortleibes. Bin ich zur Kraft der Erde und den Visionen des Himmels hin offen, kann ich daraus über das verbindende Wort im Werk mein Wesen erschaffen.

T e t r a k t y sVier Punkte bilden das Kreuz des Quadrates, vorne-hinten und links-rechts vereinend. Als erste der flächigen Figuren weist seine Gestalt selbst auf den nullhaften Ursprung, erscheinend als Mittelpunkt der gekreuzten Diagonalen. Die 4 ist überall überliefert als die Zahl der Ganzheit, als die Zahl, die den Menschen in seiner Mitte verankert. Mit ihr wollen wir uns eingehender beschäftigen, die moderne Wissenschaft als auch die meisten Traditionen sind von ihr geprägt. Für den in der linearen Zeit lebenden Menschen ist es die Überwindung eben dieser zerstückelnden Zeiterfahrung mit seiner Illusion des kausalen Zwangslaufs und das Erreichen der Ganzheit. Bei den Pythagoreern ist die Vierzahl als Tetraktys 1 + 2 + 3 + 4 = 10 die Formel für die Entfaltung der 4 Dimensionen aus der nullten, die Fülle des 10-fältigen Sinnes bergend.

Die dreifältige Ganzheit ist der zeithafte Gott — Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung in sich vereinend. Doch der Mensch, welcher Geburt und Tod unterworfen ist, erlebt alles im Hintereinander von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, und die Ereignisse erscheinen kausal verknüpft. Mit der 4 ist diese lineare Zeit überwunden und die Fülle des Seienden als ein Kontinuum gegeben. In der apokalyptischen Vision des Johannes erscheint Gott am Ende der Zeit als vierfältiger Thron, von 4 Tieren getragen. Bekanntlich hat aber auch die Wissenschaft die naive Anschauung eines 3-dimensionalen Raumes und einer 1-dimensionalen Zeit durch Einstein überwunden und zu einem 4-dimensionalen Raumzeit-Kontinuum verschmolzen.

Dago Vlasits
Vom Sinn der Zahl - Teil I · 1995
Studienkreis KRITERION
© 1998- Schule des Rades
HOMEDas RAD