Schule des Rades
Dago Vlasits
Wissenschaft und Weisheit
Seltsamer – Attraktor − 0 +
Schrumpft eine Dimension, bleibt eine stabil, und dehnt sich eine aus, so haben wir die nicht eindeutig festgelegte Gestalt eines seltsamen Attraktors. Von einem System, welches ein solches Phasenportrait besitzt, können wir die nächste Zukunft nicht voraussagen. Der Fixpunktattraktor ist auf das erkennbare Ziel gerichtet, beim Grenzzyklus weiß ich, wie die nächste Wiederholung aussehen wird, und in der Quasiperiodik des Torus kann ich das feststehende Maß des Abweichens von der Wiederholung erkennen. Der chaotische Attraktor ist aber jeden Augenblick etwas anders als vorher, jeder Punkt dieses Phasenraums ist gleichsam ein Entscheidungspunkt, an dem das System eine Wendung nehmen kann, die niemals vorausberechenbar ist. Auch hier gibt es so etwas wie sich wiederholende Umläufe, tatsächlich wiederholt sich aber nichts, die aufeinanderfolgenden Zustände sind sich nur ähnlich.
Die Mathematik der Chaostheorie befasst sich mit der nichtlineare Dynamik von Systemen, wie den Kapriolen des Wetters, den unregelmäßigen Schwankungen einer Tierpopulation oder dem organischen Wachstum. Die gesamte Wissenschaft vor der Chaostheorie war vorwiegend linearen Systemen zugewandt, da nicht-lineare mathematisch kaum zu erfassen waren, was sich durch den Einsatz von Computern geändert hat. Dabei sind in der natürlichen Wirklichkeit nicht-lineare Systeme die Regel und die linearen die Ausnahme. Ein solch turbulentes System
ist aber auch jeder Mensch, falls er nicht bereits der Mechanik der drei vorhergehenden Attraktoren verfallen ist. Denn dies ist die Gefahr, wenn sich der Mensch nicht der neuen Information öffnet, die immer aus dem Chaos kommt. Es bedeutet, das Gewahrsein in der Potentialität des Augenblicks zu verankern, und durch spontanes Entscheiden und Entschließen, im Wollen seine ureigenste Lebensmelodie zu erschaffen.