Schule des Rades
Dago Vlasits
Das stumme Wissen
Zahl
Das Rad zeigt, wie das Chaos der Information auf Grund der Raumzeit-Geometrie und Arithmetik zur Information der acht bzw. sieben Komponenten des Gewahrseins reduziert wird. Abschließend sei noch ein knapper Überblick über den Zusammenhang von Bewusstseinsfunktion, Zahlenart, Rechenweg und Raum- bzw. Zeitdimension gegeben.
In der Mathematik des Rades wird die Zahl als der schöpferische und sinngebende Aspekt aller Information verstanden. Die zehn Zahlen des dekadischen Systems, welches keine bloße Konvention, sondern eine natürliche Systemik ist, sind schöpferische Prinzipien, eigentlich schöpferische Potenzen, aus denen das Sein und der Sinn aller Information hervorgeht. Die Zahlen, die die Schöpfung aus der Leere ermöglichen, sind erkennbar und erfahrbar in vielfältiger Weise, nichts wird ohne sie zur Information, zu Sinn und Gestalt, sie sind die unumgängliche und unreflektierte Voraussetzung aller Wahrnehmung und Erkenntnis. Sie sind Träger des Sinnes, der sich in jedem materiellen Substrat, auf jeder der hierarchischen Ebenen der Schöpfung, vom Quant bis zu den Galaxien manifestieren kann, sie sind die elementaren Fältigkeiten, die eine Erscheinung, ein System oder ein Wesen haben kann. Alle höheren Fältigkeiten, alle weitere und höhere Mannigfaltigkeit und Vielfalt ist immer nur Produkt oder Summe der ersten Zehn, oder rationale oder irrationale Bruchteile oder Wurzeln davon, Verhältnisse, Proportionen zwischen ihnen und Kombinationen von all dem. Kein Erfassen von Gestalt, Form, Sinn und Bedeutung ist ohne die Zahl möglich, mag der Mensch nun in einem mystischen oder in einem wissenschaftlichen Kontext denken und erleben, und mag sich der Mensch dessen auch die meiste Zeit über nicht bewusst sein, da die Zahlen beim Erkenntnisakt genausowenig bewusst sind, wie die Grammatik beim Sprechen.
Das einzige was uns zum alldurchdringenden Sinn des Ganzen leiten kann ist nicht die Sprache, sondern die Zahl. Sprache ist Semantik, ist immer mit Bedeutung befrachtet, die nur sekundär dem reinen Sinnzusammenhang zukommt. Ich kann beispielsweise Dualität semantisch als männlich/weiblich oder Teilchen/Welle oder sonstwie verstehen und erörtern, doch nur wenn ich des Wesens der 2 gewahrwerde, geht mir der Sinn aller Gegensätzlichkeit, aller Polarität und Komplementarität auf.
Und betrachte ich die Welt als eine vierdimensionale Einheit — eine Exformation, die das Rad ermöglicht — so kann die Entfaltung der Wirklichkeit aus der Möglichkeit, die Schöpfung der vierdimensionalen Welt in Raum und Zeit aus dem Nichts heraus als die Entfaltung der Vier aus der Null verstanden werden. Dies ist der Sinn der pythagoräischen Tetraktys 1 + 2 + 3 + 4 = 10, das Werden der Wirklichkeit aus der Möglichkeit in vier Schritten, wobei jeder eine höhere Anzahl von Parametern umfasst, insgesamt 10.
Die nullte Dimension enthält also die zehn Ziffern als mögliche Chiffren des reinen Sinnes. Diese entfalten in jeder der vier Dimensionen der Wirklichkeit eine andere Art von Dynamik, eine jeweils andere Zahlenart. Die 10 in der nullten
Dimension sind also die Punktzahlen, welche in der ersten Dimension zu Linienzahlen, in der zweiten zu Flächenzahlen, in der dritten zu Körperzahlen und in der vierten zu Raumzeit-Zahlen werden. Die Zahlen sind das Urmaß aller Größen und Quantitäten des sinnlichen Empfindens, die Grundlage aller Verallgemeinerungen und Sprachkategorien im Denken, die Urbilder aller Analogien und aller Strebensziele im Fühlen und die Ur-Teile aller bestimmenden Wahl im Wollen.
Das Durchschnittsbewusstsein ist das unglückliche Bewusstsein, in ihm ist der Mensch von den vier Funktionen mehr oder weniger mitgerissen. Es gibt dann keine klare Unterscheidung zwischen Wahrnehmungen, daraus gezogenen Schlüssen, emotionalen Bewertungen und spontanen Entscheidungen, abgesehen davon, dass oft die Entscheidungen blind, die Bewertungen zwanghaft, die Schlüsse falsch und voreilig und die Wahrnehmungen selektiv beschränkt sind. Es sind die vier Feinde des Kriegers, wie sie Castaneda beschreibt, die vier Erzengel, die den Zugang zum Paradies verstellen, und die vier Funktionen Jungs, welche unterschieden und integriert werden müssen, damit der Mensch aus deren Mitte den Sinn seines Lebens erschaffen und empfangen kann.
Diese vier Funktionen, in welchen sich die Wirklichkeit für den Menschen aktualisiert — Sinnesempfindung, Reflexionsvermögen, triebhaftes Fühlen und das Vermögen intuitiver, spontaner Wahl — haben in den 4 ausgedehnten Zahlenarten ihre Grundlage. Das reine Gewahrsein hingegen hat seine Basis in der unausgedehnte (nullten oder fünften) Zahlenart. Die ausgedehnten Zahlenarten sind die ganzen, die rationalen, die reellen und die komplexen Zahlen, die unausgedehnte ist jene der natürlichen Zahlen.
Diese fünf Zahlenarten kennt auch die Schulmathematik, sie sind aber nicht völlig deckungsgleich mit den fünf Zahlenarten der Radmathematik. Denn während die Schulmathematik von unendlich vielen Zahlindividuen in jeder Zahlenart ausgeht, beschränkt sich die Radmathematik auf die endlich vielen Zahlindividuen, die sich in jeder Zahlenart aus der Beschränkung auf Zehn ergibt. Und während die Schulmathematik vier Zahlenarten auf der sogenannten Zahlengerade abbildet, und die komplexen Zahlen auf der Fläche, sind die Zahlenarten des Rades aufsteigend den räumlichen und zeitlichen Dimensionen des Punktes, der Linie/Bahn, der Fläche/Umlauf, Volumen/Drehung und dem Hyperkubus der vierten Raumdimension zugeordnet. Der Zusammenhang von Bewusstseinsfunktion, räumlicher Dimension, Zahlenart und Rechenweg nimmt sich folgendermaßen aus:
Im ganzzahligen Raum erfahren wir die Ganzheiten der sinnlichen, empfindbaren Phänomene und Daten — Hart, Tonhöhe, Blau, Veilchen, Süß. Sinnesdaten lassen sich additiv unterscheiden, Blau etwa ist ein Mehr an Frequenz als Rot.
Der rationale Zahlenraum mit den Brüchen, also der Möglichkeit der Zerteilens, Analysierens und inneren Gliederns einer Gegebenheit, ist die Domäne des Denkens, welches in einer Divisionsgleichung wie 12 : 3 = 4 (Analyse, Urteil, Synthese) ihr Urbild hat.
Die Welt des traumhaften Fühlens ist die Welt der wirklichen, der reellen Zahlen, in denen die irrationalen Zahlen (Zahlen mit unendlich vielen Kommastellen) enthalten sind, welche für wirkende energetische Werte stehen, die in der rationalen Welt nicht eindeutig bestimmbar sind, sondern unvoraussehbare Möglichkeiten darstellen. Während ich beim Denken meine Umwelt abstrahierend betrachte, geht es bei den reellen Zahlen um die effektive Resonanz oder Nichtresonanz mit der Umwelt, ob mich etwa ein vorhandenes oder nicht vorhandenes Schnitzel ins Gefühl des Hungers oder der zufriedenen Sattheit versetzt. Zwar ist auch das Empfinden ein wirklicher, energetischer Kontakt und eine Resonanz, wie das Fühlen. Doch als Empfindende beeindruckt meinen Nachbar wie auch mich die gleiche Energieart- bzw. -menge, sieht mein Nachbar etwa das gleiche Schnitzels wie ich, da bestimmte elektromagnetische Frequenzen bei ihm das gleiche Bild auf der Netzhaut erzeugen wie bei mir. Doch in meinem inneren Raum des Fühlens ist das Schnitzel vielleicht in eine völlig andere Proportion zu mir gesetzt, als es bei meinem Nachbar der Fall ist. Es können energetische Größen und Werte zur Auswirkung kommen, die bei meinem Genossen keine Wirkung besitzen. Einen satten, oder schnitzelverachtenden Menschen lässt das erscheinende Schnitzel völlig ungerührt, bei einem Hungrigen mag es aber völlig andere innere und äußere Bewegungen auslösen.
Der komplexe Zahlenraum, welcher sich aus der Erweiterung des reellen Zahlenraums durch die imaginären Zahlen ergibt, ist schließlich die Welt des Wollens. Jede dieser Zahlen (eine Summe aus einer reellen und einer imaginären Zahl) steht für eine Kraft, also eine Energie mit Richtung, steht für einen wirkenden Vektor. Wollen ist demnach die Aktualisierung einer solchen Zahl, also das Wählen einer Größe einer Kraft, die auf ein Ziel gerichtet ist.
Der Leere des Gewahrseins entspricht die Leere der natürlichen Zahlen. Ihre geometrische Entsprechung ist die nullte Dimension des Raumes, der Punkt, welcher in der Wirklichkeit aber nur zeitlich zu verstehen ist, als der lebendige Augenblick. Einen arithmetischen Rechenweg
gibt es hier nicht, es sei denn, das man Zählen als einen solchen versteht. Aber dieses Zählen kennt kein davor und danach, es handelt sich nicht um das Fortschreiten von einer Größe zur anderen, wie das sukzessive Weiterzählen durch Addition oder Subtraktion der Größe 1 (bzw. —1), wodurch die Reihe der ganzen Zahlen erzeugt wird. Zählen im Sinne der nullten Dimension ist das spontane Gewahrwerden einer Zahl. Dabei ist etwa 7 nicht größer als 3, sondern eine andere Qualität bzw. ein anderer Sinn. Diesen Zahlen der unentfalteten, nullten Dimension entspringen ja letztendlich die vier entfalteten Zahlenarten in Raum und Zeit, in diesen vier spielen die zehn eine jeweils anderer Rolle. Sie sind der Zugang zum göttlichen Gewahrsein der Schöpfung, sie sind die Chiffren des Sinnes und des Seins.
Im Meisterspiel, welches eine Operationalisierung des Radwissens zu einer divinatorischen Methode ist, gibt es demnach vier Zahlenreihen, die den kreativen Sinn einer zu schaffenden Zukunft zeigen können. Die Zahlen der ersten Zahlenart stehen für 9 verschiedene, die sinnliche Wirklichkeit verändernde Impulse — vom 1 heilen, 2 gestalten… bis 9 entwerfen. Die zweite für kognitive Fähigkeiten — von 1 Anschauung, 2 Begriff… bis 9 Planung. Die dritte für emotionale Krisen bzw. Verfassungen oder Inkarnationsstufen des Tiefenselbst — von 1 Grundvertrauen, 2 Anpassung…, bis 9 mystische Vision und Audition. Die vierte Zahlenart schließlich steht für das subjekthafte Wesen hinter aller Wahl und Selbstorganisation. Diese Zahlen sind die transzendenten Mächte des heiligen Raumes, denen gegenüber sich der Mensch öffnen kann, wenn er will. Es sind dies 1 das erleuchtende Licht, das kreative Feuer des Ostens, 2 die beharrende Macht des Minerals im Westen…, bis 9 die Musen des Nordostens, die den Menschen zur Mitarbeit am großen Werk inspirieren.
Die 10 in jeder dieser Reihen steht jeweils für das Ideal der Vollendung von empfinden, denken, fühlen und wollen — Schönheit, Wahrheit, Güte und Gerechtigkeit. Nur das Streben nach diesen, nur die kreative Mitarbeit am Werk der Erde —
- an der Gestaltung der Empfindungswelt,
- am Erkenntnisfortschritt,
- an der Befriedung der Emotionalität und
- an der Befreiung des Menschen —
eröffnet dem Einzelnen den Zugang zum Sinn. Somit erkennen wir in der Rückführung aller vielfältigen Erscheinung auf den Sinn und die Gestalt der Zehn das Wesen und das Mittel aller Exformation, die sowohl den logischen als auch den mystischen Sinn freilegt. In den Zehn erkennen wir Gott als Pleroma, als die schöpferischen Potenzen oder Wesen, deren Zusammenwirken Gott als den Kosmos aus dem Chaos erstehen lässt.