Schule des Rades
Dago Vlasits
Physik und Hyperphysik
Philosophie und physikalischer Kosmos
Als TOE zeichnet nicht nur die 10-dimensionale Stringtheorie, sondern auch das vierdimensionale no boundery
Modell von Stephen Hawking. Letzteres beschreibt unser Universum als eine Welt, die in einer imaginären, nicht realen Zeit wurzelt. Diese Zeit kennt keinen Anfang und kein Ende, sie ist eher räumlich, gleichsam als Raum der Ewigkeit zu begreifen. Genauso wenig wie ein Punkt auf einer Kugel — etwa der Nordpol der Erdkugel — ein räumlicher Anfang ist, ist der Urknall kein zeitlicher Anfang. Daher gibt es auch keine eigentliche Ursache für die Entstehung unsere Welt, kein erstes Fiat!
. Alles ist laut Hawking in der Quantennatur der Materie begründet, in Ewigkeit entspringt unsere Welt der Spontaneität des Quantums. Ebenso als TOE zeichnen 8-dimensionale Weltmodelle, wie die komplexe Twistorwelt des Roger Penrose oder das auf den Gesetzen der Primzahlen und der Quantenphysik beruhende Universum des Matti Pittkänen. Tatsächlich ist keines dieser Weltmodelle ausschließlich und endgültig vollendet bzw. bestätigt. Die meisten heutigen Physiker räumen aber der Superstringtheorie die besten Chancen ein, dies einmal zu erreichen.
Doch selbst wenn dies einmal gelingt, bleibt immer noch die Frage, von welchem Interesse dies alles für jemanden sein kann, der zwar philosophisch interessiert ist, sich aber nicht unbedingt für die Vereinigung von physikalischen Theorien und dergleichen erwärmen kann.
Sich mit der modernen Physik auseinanderzusetzen ist ganz gewiss ein Gewinn auch für einen philosophisch fragenden Menschen. Denn die erfolgreiche Erklärung der Eigenschaften unserer vertrauten Welt durch eine Theorie, die über die augenscheinliche Empirie der vier Dimensionen hinausgeht, wäre eine Gewähr dafür, dass ein unsichtbarer, inniger Zusammenhang der von uns beobachteten, disparaten Eigenschaften unserer Welt tatsächlich existiert, und dass dieser innige Zusammenhang nur im Mathematischen zu verstehen ist, da ja die zusätzlichen Dimensionen als Dimensionen nicht in unserer Welt existieren.
Sie existieren scheinbar nur in einer unsichtbaren, mathematischen Welt. Damit wird es aber schwierig, die Mathematik als bloße Konvention oder Konstruktion zu sehen, sondern durch die quasi aufgenötigte Annahme höherer Dimensionen drängt sich immer mehr die Überzeugung auf, dass die Mathematik, oder eben jene Ebene, die wir als das Mathematische bezeichnen, nicht bloß eine Denkebene sondern die fundamentale Wirkebene und somit die eigentliche Ursache für unsere Welt ist. Damit ist aber einer ganz bestimmten philosophischen Position der Vorzug zu geben, nämlich der alten, im Schamanismus wurzelnden pythagoräischen Weltsicht, die wir schon weiter oben apostrophiert hatten.
Denn die fundamentale, im Pythagoräismus und in den von ihm inspirierten platonischen, kabbalistischen und bestimmten islamischen Traditionen vertretene Grundüberzeugung, dass das Mathematische, respektive die Sphäre der Zahl der vereinigende und schöpferische Urgrund unserer Welt ist, erlangt durch die neue Physik eine starke Bestätigung.
Diese Weltsicht wird vor allem durch die Superstringtheorie bestätigt, in welcher die Anzahl der angenommenen physikalischen Dimensionen mit der Anzahl der von Pythagoras angenommenen, schöpferischen Zahlen identisch ist, nämlich zehn. Außerdem hat die pythagoräische Darstellungsweise der fundamentalen Wirklichkeit, die schwingende Saite auch in der Superstringtheorie den zentralen Platz. Aber viel mehr an Gemeinsamkeiten als die fundamentale Zehnheit und die schwingende Saite haben — zumindest bis heute — die pythagoräische Philosophie und die Superstringtheorie nicht. Aber auch nicht weniger. Denn der Wert dieser Übereinstimmung kann überhaupt nicht hoch genug geschätzt werden, wenn uns überhaupt etwas daran liegt, die Philosophie mit der physikalischen Realität in Einklang zu bringen. Natürlich dürfen Physik und Philosophie nicht verwechselt werden, setzt doch die Philosophie am Komplexesten, dem ganzen Menschen an, die Physik aber am Elementarsten, an Raum, Zeit und den Partikeln. Der quantitative Unterschied an Komplexität ist sogar so groß, dass er ein qualitativer ist, Philosophie ist etwas ganz anderes als Physik, Philosophie unterscheidet sich von der Physik, wie sich ein Mensch etwa von einem Elektron unterscheidet.
Doch die jüngst gefundene Übereinstimmung besagt ja nicht, dass die Bedeutungen, die die Physiker der Zehn geben, dieselben wären wie die Bedeutungen, die etwa ein Kabbalist oder Pythagoras der Zehn gibt — die einen reden von Dimensionen, die anderen von Gottesnamen und schöpferischen Prinzipien. Vielmehr ist die Tatsache, dass das gesuchte Fundament eine Zehnheit ist, die eigentlich entscheidende Erkenntnis. Selbstverständlich kann man diese Übereinstimmung noch immer als Zufall abtun, und einen Zusammenhang zwischen der physikalischen und der spirituellen Ebene leugnen. Doch dann hat man eben die pythagoräische Position nicht eingenommen, die sich eben dadurch auszeichnet, ebensolche Übereinstimmungen auf Grundlage der Zahl zu erkennen. Dann hat man entweder gar keine philosophische Position bezogen, oder die, dass Philosophie und Spiritualität nichts mit Physik zu tun haben, sondern nur mit dem vielbeschworenen Humanum
, dem Glauben oder der Offenbarung. Wer diese Schizophrenie überwinden will, wendet sich mit großem philosophischen Gewinn der Physik und den anderen Naturwissenschaften zu.
Das All als das Wirken der Zehn zu begreifen, gehört in der pythagoräischen Esoterik genauso zur höchsten und schwierigsten Erkenntnis wie in der Physik. Doch um das Gewahrsein der Zahl zu erringen, in welchem ich den alldurchdringenden Sinn vernehme, wird mir das Studium der Superstringtheorie, so wie sie sich heute darstellt, nicht viel helfen können. So wäre dann die bloße Erkenntnis, dass eine Zehnheit in der Physik wie im Pythagoräismus die Grundlage bildet, zwar eine wichtige, aber letzlich doch magere Ausbeute für den Philosophen. Aber mit der Erkenntnis der Zehnheit als Grundlage der Realität ist der philosophische Beitrag der Naturwissenschaften nicht erschöpft. Auch die herkömmliche naturwissenschaftliche Forschung, diesseits der Grenzen einer TOE, liefert einen ungeheuren Reichtum an Wissen, das von philosophischer Relevanz ist. Es sind jene Erkenntnissen, welche von den in unserer Dimensionalität erfahrbaren inneren Eigenschaften des Universums handeln, also die Erkenntinissphäre der Phänomene, die für einen John Horgan etwa die eigentliche und einzige Domäne echter Naturwissenschaft bildet. Auch sie können und müssen wir zur Orientierung unseres philosophischen und spirituellen Lebens berücksichtigen, um der oben erwähnten Schizophrenie zu entgehen.
Konkret handelt es sich hierbei um das Verständnis der zwölf kosmogonischen Entitäten vom Photon über den Menschen bis zu den Galaxien, wie sie die Naturwissenschaft versteht und herausgearbeitet hat.
Doch in welcher Weise kann uns dies zur philosophischen Orientierung dienen? Der entscheidende Schritt ist der, dass die philosophische Bedeutung von naturwissenschaftlichen Informationen mit Hilfe des Rades erschlossen wird. Letzteres stellt die Systemik aller Numerologie und Emblematik und die Quintessenz des pythagoräischen Wissens dar, wie es von A. Keyserling für die heutige Zeit neu konzipiert wurde.
Im hier angesprochenen Fall geht es um die Beziehung der zwölf kosmogonischen Größen und dem Tierkreis, welcher seine mathematische Grundlage im Quintenzirkel hat und ein Hauptelement des Rades bildet. Wir wollen es aber mit der Skizzierung dieses Ansatzes bewenden lassen, denn eine eingehende Erörterung des Zusammenhanges von naturwissenschaftlicher Kosmogonie und Tierkreis erfordert die Behandlung der astrologischen Symbolik als auch der zwölf Konstituenten des Mikro-, Makro- und Mesokosmos. Führt man dies jedoch konsequent durch und vertraut sich dem Rad-Denken an, dann zeigt sich, wie etwa die Astrologie von den Erkenntnissen der Naturwissenschaften profitieren, bzw. wie der nüchterne Kosmos der Physik insgesamt als ein Kosmos des Menschen erscheinen kann.