Schule des Rades

Wilhelmine Keyserling

Das Horoskop

Der Tierkreis ist für den Astrologen das Bestehende im Wandel. Aus der Bewegung von Erde und Sonne ergibt sich in ihm als unser Umfeld Anfang und Ende — indem die Sonne ihn durchläuft.

Der Tierkreis als gleichbleibendes Maß stellt für uns Erdenbewohner das Absolute dar, den Menschen im All, als zwölffältige Ganzheit. Es gibt nur eines das ganz ist: das Ganze — so unvorstellbar wie das Nichts. Ein vorstellbares Abbild des Ganzen ist der Kreis, der Tierkreis als Urbild der menschlichen Ganzheit; unser Mittler zwischen Nichts und Alles.

T i e r k r e i s

Das letztlich ursprünglich Unwandelbare, als das wir das Göttliche orten mögen, ist die Null, das Schöpferische jenseits der Schöpfung, das wir, kosmische Individues, nachdem es nicht vergeht, als allesdurchdringendes Sein im Nichtsein allgegenwärtig in der Fülle des Lebens konstellieren.

Der Tierkreis als Ganzheit birgt und eint Verschiedenheiten. Zwölffältige Verschiedenheit wird uns in Korrespondenz mit der Tonwelt auch über den Quintenzirkel erfahrbar. Die zwölffältige Eigenart der Weltfelder, bzw. Formungsprinzipien im Tierkreis wird in ihren geometrischen Verhältnissen, dem Gegenüber, Dreieck, Viereck, Sechseck einsichtig. Das Fünfeck, das den Kreis von 360° in jeweils 72° teilt, spielt eine eigene Rolle, macht sich im Sinne der Selbsterhaltung und Selbstbezogenheit vom Tierkreis unabhängig.

Die Sieben, einerseits Zeugerin der zwölf Felder — 3 × 4 — bezieht sich auf die unendliche Folge im Werden: 360 : 7 = 51, 428571 428571… Es ist die Zahlenfolge der Mitose von Mensch und Tier, die in der sechsfältigen Figur des Enneagramm zutagetritt.

E n n e a g r a m m

Der Tierkreis, der alles menschenmögliche birgt, wird von vielen Astrologen über die Ebene der Mythen und Märchen verstanden, über die Weisheit früherer Kulturen, die sicher einen Schatz des Wissens beinhalten.

Wir, zu Beginn der Wassermannzeit, versuchen in der Grundstruktur von Raum und Zeit, von Maß und Zahl über die acht elementaren Begriffe im Rad einen Schlüssel zum kombinatorischen Erschließen der Anlage zu finden, der sich über die Vielfalt der Erfahrungen zum Verständnis des Lebens erweitert, dem diese Struktur zugrundeliegt. Die Erfahrung sammeln wir abgesehen vom Alltag in den Riten der Monatsgespräche und der Zwölf Tage.

Im Horoskop eines Menschen können wir ersehen, in welchen Gebieten des Themenkreises (Häuserkreises) und Tierkreises sich das Leben hauptsächlich abspielt. Themenkreis und Tierkreis vermählen sich zu einem zwölffältigen Einstellungsfeld.

Die Beziehung zwischen Tierkreis als Weltfeld und Häuserkreis als Wirkfeld ist eine Symbiose, bei der ersteres die besondere Einstellung des Wirkthemas prägt. Nehmen wir das III. Haus, das alles beinhaltet, was mit Information, Lernen, Lehren, Team, Werdegang zu tun hat. Welcher Art jedoch diese Information ist, für die ein Mensch sich interessiert, die er aufnehmen und mitteilen kann, ob sie praktisch, seelisch, poetisch, strukturell (etc.) ist, sehen wir aus dem Zusammenwirken der beiden Kreise. Wer aber von den Wirkkräften — Planeten — diese Information als Teil eines Werdegangs hervorruft, aus welchem Haus und Zeichen er sie bezieht und auf welches er sie zurückführt, geht aus dem Enneagramm hervor.

H o r o s k o p

Beispiel: mein III. Haus beginnt im Zwilling. Uranus steht im zwölften, im Fisch. Das sind demnach Informationen, die das Leben des Menschen in seiner (doppelt) geistigen Ganzheit, seiner letztlichen Erfüllung betreffen und klären. Andere Informationen können in diesem Fall nicht ankommen, vielleicht sogar Abscheu und Verzweiflung erregen.

Dieser Uranus ist aber nicht isoliert. Geschehnisse in allen mit ihm durch Aspekte verbundenen Gebieten, der Arbeit, sowie der Tätigkeit im Heim, der Freude an Gestaltung und Blumen, das Bergsteigen und Anpeilen der Zielrichtung der Aufgabe… können als Teil des erfüllenden Ganzen verstanden werden. Identifikation mit dem Einzelgeschehen wird freilich diese ganzheitliche Beziehung unterbrechen.

Solches, und viel mehr, lässt sich aus der Struktur des Horoskops räumlich ersehen. Den Häuserkreis auf diese Weise durchzugehen, ist eine sinnvolle Art der Analyse, besonders der Selbstanalyse.

Aber im Leben haben wir an ungeheuer vielen Bewegungen und Strömungen, an energetischen Zuständlichkeiten teil, wenn wir das Göttliche als höchstmöglichen Zustand konstellieren, und das All belebt von energetischen Wesenheiten, denen wir, unserer augenblicklichen Zuständlichkeit entsprechend begegnen können.

Ob und wann wir diese Zuständlichkeit, die Synthese unseres Materie-, Energie- und Sonderheitsaspekts erreichen, steht in keinem Horoskop. Ob wir unseren Auftrag, den wir aus dem Jenseits in unsere Inkarnation mitgebracht haben erkennen, um ihn mittels unseres Ichwerkzeugs (das wir im Horoskop analysieren können) zur Aufgabe zu machen, ist nicht vorausbestimmt. Und WER hat eine energetische Zuständlichkeit mitgebracht? Wer in uns verbindet fernste Vergangenheit mit zeitloser Zukunft?

Die Horoskopstruktur scheint mir wie die Wurzel eines Baumes, durch dessen Krone die Winde wehen, auf die Sonnenstrahlen und Regen wirken, Vögel und Insekten, Eichhörnchen oder Affen ihren Eindruck hinterlassen. Jeder Zweig, jedes Blatt ist auch selbstentscheidend, ob es sich so oder so entfaltet; unvoraussehbar und überraschend. Das ist Leben, das an sichtbaren und unsichtbaren Bewegern teilhat und selbst unwillkürlich bewegt.

Im Horoskop können wir räumlich die Anlage in ihrer Ganzheit einsehen, und das ist äußerst hilfreich. Wir können auch zeitlich den Themenkreis durchwandern und ersehen, was uns in dieser und jener Etappe des Lebens besonders angeht und beschäftigt. Wir können sogar Ereignisse erahnen, die zum Werk werden können.

Aber:

Einzelne Geschehnisse
wie Perlen ohne Schnur.
Die Intervalle sind es
die verbinden.

Du musst sie schaffen, finden
die schlichten unsichtbaren Spuren
das Dazwischen das zusammenhält.
Sonst fällt der ganze Bau in Trümmer.


Deine Werke sind Früchte, nicht Stamm.
Dieser liegt im Intervall
zwischen den Werken.


und

Das Wesen verwirklicht sich in der Zeit
Das Wesen ist nicht zu erkennen
sondern zu leben.

Deine Wandlung kann sofort beginnen.
Der Einstieg in die Wandlung
ist die Beachtung des Nichts,
des Intervalls.

Das Nichts ist echtes Sein.
Bisher wertest du nur die Ergebnisse,
nicht das Intervall
In ihm,
zwischen den Gestaltungen (Ereignissen)
liegt das Geheimnis deiner Kraft.


Mensch im All

Wilhelmine Keyserling
Das Horoskop · 1998
© 1998- Schule des Rades
HOMEDas RAD