Schule des Rades
Hermann Keyserling
Das Ehe-Buch
Von der richtigen Gattenwahl
Wahlverwandtschaft
Daß es Menschenpaare gibt, so selten sie vorkommen, welche absichtlich für einander geschaffen scheinen, ist Tatsache. Doch über deren Ursache lässt sich aus irdischer Einsicht nichts sagen. Handelt es sich, gemäß der Lehre von Platons Gastmahl, um ein zwiegeteiltes ursprünglich Eines? Setzt ein Gott aus ewigem Ratschluss zwei für einander bestimmte Seelen auf einmal neu in die Welt? Spricht die Wiederverkörperungslehre wahr? Oder sollte gerade das, was uns weise Vorsehung zu erweisen scheint, sinnloser Zufall sein? Niemand vermag’s zu entscheiden. Hier glaube jeder, was er glauben muss. Das Mysterium ist kein mögliches Verstandesproblem. Deshalb muss die Frage der Wahlverwandtschaft in ihrem tiefsten Sinn aus dem Rahmen dieses Buches ausgeschaltet bleiben.
Aber auch das Wunder sucht unsere Erde nur im Rahmen von deren Gesetzen heim. Gleichwie Christus seine erhabene Gottesweisheit im Gleichnis alltäglicher Begebenheiten auszudrücken wusste, so lässt sich nachweisen, dass gerade das Letzte und Tiefste überall seine genaue Korrespondenz in der Region des gesunden Menschenverstandes hat. Was in bezug auf die Ehe besagt: so unableitbar der Einzigkeitscharakter der gegebenen Situation in jedem Falle sei, es sind allgemeingültige Normen, innerhalb welcher sich dieser jeweils manifestiert.