Schule des Rades

Hermann Keyserling

Das Erbe der Schule der Weisheit

25. Heft · Der Weg zur Vollendung - 1936

Bücherschau · Egon Freiherr von Eickstedt, Gautier, C. G. Jung

Im Grunde bedeutet es gewiss eine heilsame Abreaktion, dass eine Weile alle Welt, welche wenig davon versteht, über Rasse Behauptungen aufstellt. Falsches und Törichtes soll gerade recht häufig und laut ausgesprochen werden. Dadurch wird es nämlich verredet. Und im in geistigen Dingen so genauen Deutschland amortisiert es sich so viel schneller, als sonst geschähe.

Was ich über dieses besondere Problem zu sagen habe, steht in den Meditationen, Sur l’art de la Vie und im Buch vom persönlichen Leben — besonders natürlich im Kapitel Blut der erstgenannten Schrift — mit genügender Deutlichkeit ausgeführt. Viel kann es natürlich nicht sein, denn tatsächlich weiß man noch blutwenig von dem, was Blut ist und bedeutet. Immerhin gibt es schon ein Werk, welches so viele sichere Daten zusammenfasst, dass sich daraus heute schon die bleibenden Grundzüge des später einmal zu zeichnenden Gesamtbildes ergeben: Die Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit von Egon Freiherr von Eickstedt (Stuttgart 1934, Ferdinand Enke Verlag). Dieses Monumentalwerk von über 900 Seiten sollte jeder lesen, der sich überhaupt mit Rassenfragen befasst: denn es widerlegt schlechthin jede der landläufigen Vulgär-Theorien. Hier einige Stichworte. Alle weißen Menschen, die späteren Arier, Semiten, Turanier, Türken, Finnen und ursprünglich sogar die Polynesier inbegriffen, stellen Sonderformen der einen Urrasse der Europiden dar. Alle bisherige Hochkulturschöpfung dieser Urrasse ist das Werk ihrer mediterranen (westischen) Ahnen gewesen, denn nicht nur die heutigen romanischen Völker gehören ihr blutsmäßig zum größeren Teile an, sondern auch die arischen Inder, Perser, die Mesopotamier und Alt-Ägypter. Die unvermischte nordische Rasse stellt zusammen mit der turanischen und der tungiden (der gemischt turanisch-mongoloiden) den Hauptunruhefaktor unter Menschen dar; von Hause aus ist sie zerstörerisch, nicht aufbauend. Erst in der Mischung mit anderen ist sie jeweils kulturschöpferisch geworden (vgl. hierzu meinen Hinweis im Buch vom persönlichen Leben auf Wilhelm Pinders Nachweis, dass das Nordentum sich selbst immer nur am Kontakt mit anderem realisiert hat). Ihr Destruktives aber zeigt sich heute, wo in der Kolonisation und Unterwerfung der Welt durch die Maschinenzivilisation, ihrer eigensten Erfindung, der gewaltigste Vorstoß des Nordentums aller bisherigen Zeiten stattfindet, in extremerer Form als je: unsere Zivilisation hat mehr Menschenleben ausgerottet oder unterdrückt, als je durch Mongolen, Normannen und Iberier geschah. Noch nie erwies sich irgendeine Menschenart gleich grausam. Das ist, weil auf dem still-papierenen Weg kaufmännischer Entschließungen auch der zum Menschenschlächter werden kann, welcher es nie ertrüge, Blut fließen zu sehen.

Was ich bisher aus Eickstedts Werk angeführt habe, widerlegt schon so manches Vorurteil. Nicht minder wichtig ist der Nachweis der erwiesenen Endlichkeit jeder Volksgestaltung. Immer wieder sind mächtige und hochbegabte Völker aufgetaucht, welche irgendeinmal einfach nicht mehr da waren. Dazu gehören z. B. die Skythen: eine herrlich geglückte nordisch-turanische Mischung, die zeitweilig von Russland bis nach Indien die Herrenschichten stellte. Es sind überhaupt keine Nachkommen ihrer nachzuweisen, obgleich sie nicht rein dynamischer Natur waren. Dass die rein dynamischen Völker alle schnell zugrunde gegangen sind, versteht sich von selbst. Es musste so kommen, dass Goten, Vandalen, Normannen, Hunnen und Mongolen Dschingis Khanscher Artung als Völker zugrunde gehen, denn wer gar kein retardierendes Moment, wie es Goethe hieß, verkörpert, muss zu sein aufhören, wenn er einmal zum Stillstand kommt. (Was Dschingis Khan betrifft, so weist Eickstedt übrigens darauf hin, dass er hochgewachsen, blond und grauäugig war, also sicher kein Mongoloide, sondern wahrscheinlich ein nordisch-turanischer Mischling, wie die meisten Sibiriden jener Zeit; Sibirien war nämlich Jahrzehntausende lang rein europid, ja dieses Land ist die Wiege alles späteren Europäertums!) Aber selbst ohne Ausrottung und ohne Kriege lebt kein Volkstum als solches, rassenhistorisch beurteilt, lange, denn jedes wandelt sich fortdauernd in Korrelation mit seiner physischen und psychischen Umwelt. So spricht heute anscheinend nicht ein Volk die Sprache, mit der es in die Geschichte eintrat! — Über Völkerschicksal aber haben bisher ausnahmslos planetarische Umstände entschieden. Die eigentliche Ursache des heutigen Rassenbildes war die Eiszeit, welche die heutige europide, mongolide und negride Menschheit Jahrzehntausende lang so hermetisch voneinander absperrte, dass sich drei wirklich konsolidierte Grundtypen bilden konnten. Seither aber hat alles Progressive und Rezessive, alles Vorwärtsdrängen und Zurückweichen von ökonomischem Drucke abgehangen. Der europäische Norden wurde aus genau dem gleichen Grunde zum Haupt-Druckgebiet und -Unruhezentrum Europas, wie die nordsibirische und mongolische Steppe: insofern zu spät Gekommene, als der beste Boden schon in festen Händen war, die anderen zu verdrängen suchten.

Das Gesagte dürfte genügen, um so manchen zu genauem Studium von Eickstedts gewichtigem Werke anzuregen. Heute muss jeder über die wahre Geschichte des Menschen­geschlechts orientiert sein und über die ungeheuren Gefahren, die gerade in der modernen Entwicklung liegen. Wahrscheinlich stehen wir am Anfang einer sehr viel schlimmeren Periode noch, als die Völkerwanderung eine war. — Auch über den wahren Charakter dieser Zeit gibt es jetzt übrigens ein Buch, welches sehr viele landläufige Vorstellungen erledigt: das ist Gautiers Geiserich (deutsche Ausgabe Frankfurt a. Main, Societätsverlag). Es ist nämlich nicht wahr, dass die Deutschen oder deren Vorfahren das römische Reich zerstört hätten. Die Westgermanen waren schon in Römerzeiten im großen ganzen genau so, wie sie heute in Baden, Hessen und im Rheinland sind (den heutigen norddeutschen Typus gab es damals noch nicht als Macht). Sie waren voller Ehrfurcht für das römische Reich, und begingen sie gelegentlich Grenzüberschreitungen, so war es nur, um neues Lehen von dem römischen Kaiser und womöglich hochklingende Titel zu empfangen. Schon ab Caesar waren die meisten aller römischen Offiziere Westgermanen. So selbstverständlich war ihnen die Oberhoheit Roms, dass zu Karls des Großen Zeiten die Kaiser-Krönung überhaupt nicht als Novum, sondern als Fortsetzung grundsätzlich ununterbrochener Tradition aufgefasst wurde. Nach Gautier ist so das römische Reich erst 1806 ganz zugrundegegangen. Jener Dynamismus, den sich alle Deutschen zusprechen, hat in der Völkerwanderungszeit einzig den Ostgermanen geeignet, deren Hauptvertreter die Ost-, die Westgoten und die Vandalen waren. Diese waren ursprünglich Skandinavier ähnlichen Geistes wie die späteren Normannen. Aber Jahrhunderte lang lebten sie erst in Polen und am Balkan, dann in Südrussland und vermischten sich dort mit den indigenen Stämmen, Skythen, Alanen, Sarmaten. Menschen dieser nordisch-russischen Mischung — bestand im einen oder anderen Fall die Mischung blutsmäßig nicht, so bestand sie jedenfalls seelisch — waren denn die eigentlichen Beweger der Völkerwanderung. Als reine Dynamiker sind diese Völker als solche samt und sonders untergegangen. Aber freilich spielen sie noch heute eine wichtige Rolle im Rassen-Erbe der romanischen Völker. Charakteristischerweise hielten sich nämlich die Ostgermanen nie lange, wenn überhaupt, in Deutschland auf.

Andererseits aber ersieht man am Vergleiche mit Gautiers Schilderung, wieviel Ur-Germanisches, also noch vor der Scheidung zwischen Skandinaviern und Deutschen, Lebendiges in den Tiefen der Natur des heutigen Deutschen lebt. Schon wie ich Kasimir Edschmids Südreich las, fiel mir auf, welch ungeheure Organisationsfähigkeit alle Germanen besessen haben. Die Völkerwanderung verlief überall strengstem Plan gemäß. Geiserichs Übersetzung nach Afrika und seine Eroberung von dessen Küste war eine Leistung, die sich nur mit den Nürnberger Parteitagen vergleichen lässt. Nicht-Skandinavier unter Germanen waren niemals Seefahrer gewesen, und besonders wenig Anlage dafür schienen gerade die Vandalen zu besitzen. Geiserich nun organisierte so phantastisch gut, dass er absolut ohne Verlust sein ganzes Volk, Weiber und Kinder inbegriffen, mit seinen eigenen Leuten aus Spanien nach Afrika überschiffte. — Aber nicht nur die Organisationsfähigkeit ist germanisches Urgut: auch die Art Gesellschaftsbau scheint es zu sein, welche heute in der nationalsozialistischen Ordnung neu auflebt. Wie ich bei Gautier von der Lebensform der Germanenstämme mit deren Fürsten unter römischer Oberhoheit las, da war ich wieder und wieder frappiert von der Ähnlichkeit des Damaligen, scheinbar so Fernen, mit dem Heutigen… Neuerdings hat C. G. Jung in seiner Studie Wotan einen weiteren Nachweis dessen erbracht, wieviel Ur-Germanisches in den Deutschen heute neuaufwacht. Wotan entpuppt sich unter seiner Analyse als der eigentliche Geist der nationalsozialistischen Bewegung. Die jungen Generationen der Deutschen sind, nach Jung, wahrhaftig vom alten Gotte, der ein paar tausend Jahre geschlummert und sich indessen ausgeruht und erholt hat, neu ergriffen worden. Das allein erklärt das unmittelbare Einleuchten von Anschauungen und Lebensformen, welche mit denen, welche das letzte Jahrtausend über herrschten, keinerlei Ähnlichkeit haben. Und nach Jung hat schon Nietzsche nicht Dionysos, sondern recht eigentlich Wotan vertreten: es sei nur seine klassische Bildung, sein Philologentum gewesen, welches Nietzsche zur Rückbeziehung seiner prophetischen Gedanken auf Hellenisches bewogen hätte.

Hermann Keyserling
Das Erbe der Schule der Weisheit · 1981
Der Weg zur Vollendung
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