Schule des Rades
Hermann Keyserling
Das Erbe der Schule der Weisheit
1. Heft · Der Weg zur Vollendung - 1920
Zur Einführung
Die Mitteilungen Der Weg zur Vollendung
sind das eigentliche Organ der Schule der Weisheit. Wenn der Weg dieser ganz in persönlichem Umgang bestehen wird, der deshalb einer Übertragung ins Schriftliche unfähig erscheint — aus diesem Grunde erwarte niemand, meine Schulvorträge später zu lesen zu bekommen; wer sie hören will, der bemühe sich hierher — so sollen ihre Mitteilungen die persönliche Korrespondenz ersetzen. Es ist völlig ausgeschlossen für mich, mit den Mitgliedern der Gesellschaft für Freie Philosophie auf brieflichem Wege Fühlung zu unterhalten; wer von mir Aufklärung wünscht, darf außerhalb der Mitgliederversammlungen nur dann auf persönliche Beantwortung seiner Fragen rechnen, wenn er als Mitglied der Gemeinschaft der Schüler selbst nach Darmstadt kommt. Dies besagt aber nicht, dass ich in Briefen etwa aufgerollte wichtige Probleme überhaupt unbeachtet zu lassen gedenke: auf Anregung dessen, was in dieser (oder auch anderer) Form an mich herantritt, werde ich im Weg zur Vollendung
in Gestalt leicht hingeschriebener kurzer Aufsätze oder Notizen zu dem Stellung nehmen, was sich als interessierend oder bedenkenswert herausstellt. In eben dem Geiste werde ich auf lesenswerte Bücher hinweisen. Im übrigen möchte ich auch an dieser Stelle aussprechen, worauf ich die Teilnehmer an der ersten Mitgliederversammlung so eindringlich hinwies: die Schule der Weisheit ist ganz auf die eigene Arbeit der Schüler eingestellt; hier wird es niemand leicht gemacht werden. Konfuzius sagte:
Wer nicht strebend sich bemüht, dem helfe ich nicht voran; wer nicht nach dem Ausdruck ringt, dem eröffne ich ihn nicht; wem ich eine Ecke zeige und er kann es nicht auf die anderen drei übertragen, dem wiederhole ich nicht.
So gedenke auch ich es zu halten. Ich werde nie So viel sagen, dass dem Anderen dadurch das Selbstsuchen und Selbstdenken erspart würde. Vorwärts kommt der allein, der alles von sich und von anderen nur so viel erwartet, als unumgänglich scheint, damit er seinen Weg dann selber finde.
Ende November 1920 Darmstadt, Paradeplatz 2