Schule des Rades
Hermann Keyserling
Schöpferische Erkenntnis
Zweiter Zyklus:III. Weltüberlegenheit
Sinn und Unsinn
Unsere gestrigen Betrachtungen haben Sie davon wohl überzeugt, dass auch das Problem der Politik auf das zentrale des Geists zurückbezogen werden kann. Was auf den ersten Blick subaltern und oberflächlich scheint, kann, ohne nur irgendwelche Änderung seiner Eigenart zu erfahren, einen tiefen Hintergrund erhalten. Alles kann, nichts muss oberflächlich sein, genauso, wie nichts Sinnloses also zu bleiben braucht; wie sich vermittels der gleichen Buchstaben und Worte Sinn und Unsinn sagen lässt, so vermöchten die altbewährten Mittel der Realpolitik Wesentlicheres zu bewirken, als je bisher geschah. Nur darauf kommt es an, wie tief der Sinn jeweilig erfasst wird, bis zu welchem Grade es gelingt, ihm den genau entsprechenden Ausdruck zu schaffen. Aber unsere Betrachtungen führten zuletzt weit über das Sonderthema hinaus. Aus dem Staatsmann wurde der Sinnesverwirklicher schlechthin, aus der Staatskunst die des angemessenen Ausdrucks überhaupt. Zuletzt mündete das sachliche Problem in das persönliche ein, wie der beschaffen sein muss, der die Welt vom Sinn her zu verändern vermöchte. — Dort blieben wir gestern stehen. Heute müssen wir diesen Weg zu Ende gehen. Wir müssen uns ein lebendiges Bild des Menschen machen, welcher allen gestern und vorgestern gestellten höchsten Anforderungen genügte. Dies ist in der Tat unser vorgezeichneter Weg: vom Standpunkt der Weisheit bedeutet das Sachliche niemals die letzte Instanz. Da Geist nur von innen heraus wirkt, so hängt der Wert jeder seiner Äußerungen letztlich davon ab, von wem sie ausgehen.