Schule des Rades
Hermann Keyserling
Schöpferische Erkenntnis
Sinn und Ausdruck in Kunst und Leben
Kunstkritik
Wie ich im vorhergehenden Vortrag das Problem des Unterschiedes zwischen morgen- und abendländischem Denken nur zu dem Ende aufrollte, um von ihm aus zu Tieferem zu gelangen, so werde ich’s auch dieses Mal halten. Um Kunstkritik ist es mir durchaus nicht zu tun, dies sei von vornherein gesagt. Deshalb schäme ich mich auch etwaiger Fehler im einzelnen nicht: ich stelle meine Frage als Metaphysiker; meine empirischen Irrtümer werden den Einsichtsfähigen deshalb nicht hindern, durch sie hindurch des Wahre zu sehen. In der Tat: Kunst und Leben von einem Gesichtspunkt aus zu betrachten, wie hier geschehen soll, kann nur dem Metaphysiker gelingen. Ihm nun erscheinen beide, andererseits, notwendig auf einem Plan belegen. Kunst und Leben sind beide, abstrakt bestimmt, einerseits Sinn, andererseits Ausdruck; bei beiden handelt es sich technisch um eine Materialisierung von Geistigem. Was ist nun als materiell, was als geistig zu betrachten? Worin besteht das Geistige letztlich? Zur Beantwortung dieser Fragen begebe ich mich heute zunächst auf das Gebiet der Kunst. Ohne Antwort sind wir schon seit der vorhergehenden Betrachtung nicht. Eine erschöpfendere soll die heutige geben.