Schule des Rades
Hermann Keyserling
Das Spektrum Europas
Italien
Zusammengehaltene Abgeschlossenheit
Wer von Italien ein lebenswahres Bild entwerfen will, muss, mehr als im Falle irgendeines Landes und Volks, die richtige Grundierung finden und darauf die fundamentalen Valeurs richtig verteilen. Denn nirgends in Europa entscheidet das Natürliche und Urtümliche so sehr.
Dies gilt zunächst im Sinn des Worts Alfieris, dass die Pflanze Mensch nirgends so gut gedeihe wie auf Italiens Boden. Sie wächst dort tatsächlich pflanzenmäßig, wie unabhängig von der Geschichte. Italien ist ältestes Kulturland; es beherbergt Europas älteste historische Geschlechter. Und doch ist das Phänomen der Dekadenz dort, im großen und ganzen betrachtet, unbekannt. Mehr noch: die Träger ältester Namen, ja die persönlichen Verkörperer ältester Tradition erscheinen bis auf seltene wie Naturspiele wirkende Ausnahmen in jeder Generation erneut naturhaft neu: dementsprechend, als soziale Typen beurteilt, wie homines novi. Zunächst fallen einem hier Indien und China zum Vergleiche ein: jeder Chinese ist ja naturhaft gesund, und Indiens älteste Brahmanenfamilien sind trotzdem so vital, dass ein Entarten außerhalb möglicher Berechnung liegt. Doch der Vergleich geht nur bis genau zu diesem Punkte und nicht weiter. Denn für Italien ist, im Gegensatz zu Indien und China, charakteristisch, dass das Volk gerade wie die Vegetation von Lenz zu Lenz, also nicht als Kulturmonade immer wieder neu ersteht. Sein Grundcharakter ist unzweideutig primitiv. Manchen Italiener allerbesten Standes hielte der Fremde ohne weiteres für einen Wilden, wäre seine Natur nicht human im Sinn des ursprünglichen, eben in Italien erwachsenen Humanismusbegriffs. Die italienische Gentilezza war schon zu Dantes Zeiten der Ausdruck gebildeter Urtümlichkeit.
Der zweite Grundzug Italiens hängt mit dem ersten unmittelbar zusammen. Ich meine die naturhafte Gebundenheit der Urformen seines Lebens, dank der sie wie überhistorischen, ja Ewigkeitscharakter zu tragen scheinen. Man versenke sich in den Geist eines etruskischen Grabes, sodann in den eines altrömischen Patrizierhauses und endlich in den einer modern-italienischen Casa von Tradition: es ist der gleiche. Überall eine ganz unvergleichliche, durch molekulare Kohäsion zusammengehaltene Abgeschlossenheit des Hauses. Selbst als Gast fühlt man sich darin wie in einer Auster leben. Für ihre eingeborenen Insassen gibt es überhaupt kein Entrinnen außer in Form richtiger Auswanderung. Ich gebrauchte den Ausdruck molekulare Kohäsion: dass der Zusammenhang dermaßen intim ist, hängt seinerseits am italienischen Matriarchalismus. Italien ist heute das europäische Land der am ausgesprochensten herrschenden Mutter und Schwiegermutter. Dort allein warten die jungen Frauen darauf, wie sonst nur in China, ihrerseits einmal als Sechzigerinnen herrschen zu können. So tritt in Italien am stärksten in Erscheinung, dass die Frau der konservative Teil der Menschheit ist. Überall, wo der erfinderische Mann nicht eingreift, führt die Frau die Küche ihrer Mutter ebenso selbstverständlich weiter, wie sie ihrerseits Menschen und nicht Tiere gebiert; so stilsicher, dass ich mich oft damit vergnügte, auf Grund des Tisches Stammbäume zu konstruieren. Da nun der Frau von sich aus nichts am Essen liegt, so verharrte die Menschheit, bei rein matriarchalischer Struktur, noch heute bei Mutter Evas Speisezettel. Beinahe so steht es mit Italien. Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich aus den Funden von Cerveteri, der Mutterstadt Roms, schließe, dass die Etrusker dieselbe pasta asciutta aßen und diese nicht anders zubereiteten wie die heutigen Italiener. Ferner will die Frau womöglich alle ihre Sprößlinge immer um sich haben, und auch von sonstigen Blutsverwandten sieht sie nicht leicht genug. Dementsprechend umschließt der molekulare Zusammenhang italienischer Häuser von Tradition ganze Sippen; nur der vorhandene äußere Raum und die vorhandene Anzahl der Familienglieder ziehen hier die Grenze. Wer in ein italienisches Haus hineinheiratet, heiratet sozusagen alle seine Glieder; ein Abgeschlossenheit der Einzelfamilien, wie unter Germanen, ist da unbekannt. Und fühlt sich da trotzdem niemand belästigt, glaubt jedes Ehepaar für sich zu leben, und dies mit Recht, so liegt dies daran, dass dem Italiener, wie allen Mittelmeervölkern, das Bedürfnis nach äußerer Einsamkeit fehlt. Sie alle sind, wie die alten Griechen, marktgeboren
. Weshalb sich denn hundert in einem Haus zusammenwohnende und dauernd miteinander verkehrende Italiener faktisch weniger stören als zwei nur benachbarte Deutsche, welche sich selten sehen. Das reibungslose soziale Zusammenleben — ich nenne es reibungslos trotz besonders häufigen Gezeters, denn das bedeutet dort nichts —, in Deutschland Problem oder höchstes Ideal, ist dort Naturform.
Solche Grundstruktur bedingt denn, wie es nicht anders sein kann, eine Stabilität ohnegleichen. Wo es überhaupt Traditionen gibt, sind sie festgefügt wie molekulare Zusammenhänge. So erscheint das italienische Volk mehr als irgendeines in Europa durch urgeschichtliche Gewohnheit gebunden. Es ist viel mehr gebunden als das spanische: denn ist das letztere kulturell älter, so besteht es andererseits, als Wüstenvolk, aus Einzelheiten, nicht Gemeinsamkeiten. Steuern werden in Italien bereitwilliger gezahlt als irgendwo, denn seit Römerzeiten war dies der Normalausdruck des Regiertwerdens. Das altrömische Klientenwesen lebt im Kreis des römischen Hochadels noch heute fort. Und so steht es, mutatis mutandis, mit allen Traditionen. Noch heute sind, trotz aller Verfassung, die Kommune und die Signoria die eigentlichen Organe italienischen Daseins, und ich zweifle sehr, dass es dem Fascismus gelingen wird, sie wirklich zu zerstören.
Dies führt uns denn zum dritten Grundzug Italiens. Die Struktur vorwiegend molekularen Zusammenhanges setzt von sich aus enge Schranken im Raum; ein über seine natürlichen Grenzen hinauswachsendes Molekül bricht auf. Dies erklärt, warum der Regionalismus von jeher die eigentliche Form italienischen Lebens war und noch heute ist. Gewiss lag Italiens demographische Zerklüftetheit einmal auch an der Vielheit der Stämme, die es bewohnten. Die Ligurer waren ein ganz anderes als die Etrusker, die Venezianer von den Florentinern rassenmäßig geschieden. Der altrömische Typus ging zweifellos auf nordischen Bluteinschlag zurück, wie heute der lombardische. Süditalien ist vorwiegend griechischen, Sizilien maurischen und spanischen Bluts. Auch die Tatsache, dass sich Italien durch drei klimatische Zonen erstreckt, die gemäßigte, warme und subtropische, ist zu berücksichtigen. Doch nicht diese Momente entscheiden: dank seiner schon Jahrtausende währenden Spracheinheit wären sämtliche Bewohner Italiens längst zu einer Einheit zusammengewachsen, wie es die Bewohner Frankreichs getan haben, wenn nicht eben die Naturgebundenheit, und das heißt hier die jeweilige Landschaftsgebundenheit des italienischen Menschen, zusammen mit dem Molekülartigen seines sozialen Zusammenhangs, die regionale Einheit zum ausschlaggebenden Lebenszentrum gemacht hätte. Sie bestimmt noch heute in allen nichtäußerlichen Hinsichten, die in der modernen technisierten Welt allerdings zuerst in die Augen springen. Noch heute ist der Italiener, von seinem Lebensquell aus beurteilt, in erster Linie nicht Italiener, sondern Florentiner, Romagnole, Sizilianer usw.
Ebendieselbe Struktur gibt denn dem italienischen Universalismus seine Sonderart. Die neuitalienische Einheit, welche das Risorgimento meinte, vollendet erst der Fascismus. Aber wie? Nicht indem er nun alle Italiener uniformiert zusammenfasste, sondern indem er eine neue, wiederum molekular zusammenhängende Einheit schaffte, zu deren Wesen gehört, beherrschend zu umspannen. Nicht anders herrschte seinerzeit das alte Rom. Es blieb wesentlich eine Stadt unter anderen. Es hat nicht einmal Italien je wirklich romanisiert — sonst hätte der Römertypus des republikanischen Zeitalters länger fortgelebt. Rom hat ganz Italien und dann den Erdkreis nur als Stadt beherrscht; civis Romanus zu werden, bedeutete Ähnliches, nur Exklusiveres, schwerer zu Erlangendes, als heute die Mitgliedschaft der fascistischen Partei zu erwerben. Insofern hatte das alte Römertum beinahe Ähnlichkeit mit der Camorra und der Mafia als mit dem, was man unter einer modernen Nation versteht. Sogar zu Italiens imperialen Zeiten war also die regionale Einheit das Entscheidende, weil eigentlich Lebendige.
Die nun hatte zum Zentrum jedesmal eine Stadt. Hierin liegt ein in Europa wiederum Einziges des Italienertums: seine Kultur war von jeher immer regionalistisch, aber zugleich urban. Sogar seine Aristokratie war städtisch. Deswegen ist auch das universalste Gebilde, das italienischer Geist erschuf, an eine Stadt gebunden: ich meine den Katholizismus. Der ist, vom italienischen Standpunkt, entweder römisch oder er ist nicht. Der Kirchenstaat war und ist, vom italienischen Standpunkt, keine Paradoxie. Von hier aus wird denn klar, inwiefern die römische Kirche und das altrömische Imperium eines Geistes sind. Die Kurie als solche war immer und ist noch heute wesentlich italienisch; sie ist eine molekulare Einheit, wie nur je ein etruskisches Grab. Aber als solche beherrscht sie die Welt. So hielten auch die alten Römer außerhalb der Stadt nie eigentlich anderes als Legaten und Nuntiaturen. Deren Apparat war freilich römisch. Aber Römer konnte man, solange das Weltreich echt blieb, beinahe ebensowenig werden, wofern man es nicht war, wie man Jungfrau werden kann. Italien wurde nie römisch, es blieb italienisch; so stand es erst recht mit den fernerliegenden Provinzen. Ebendeshalb konnte der Sinn der Latinität späterhin so eigentümlich missverstanden werden. Was man heute so heißt, ist nicht römische, sondern griechische Kulturabstammung. Es gibt nur diese aus dem sehr einfachen Grund, dass eine römische Kultur nie existiert hat; ihr bloßer Begriff enthält fast ebensolchen Widersinn, wie der neue einer fascistischen Kultur. In Rom war die res publica ein molekular zusammenhängendes Stadtgebilde unter anderen. Ist einmal molekularer Zusammenhang die Grundform, dann ist direkte Ausstrahlung ins Weite unmöglich. Nur die Herrschaftsformen als solche waren übertragbar; dies galt vom römischen Recht, der römischen Verwaltungsart; gleiches galt später vom Rahmen der Kirche. Aber der Inhalt dieses Rahmens war und ist überall ein anderer. Wir werden später sehen, ein wie anderes der Katholizismus Italienern, ja wohl der Kurie selbst bedeutet, als der außeritalienischen Katholikenwelt. Nur die formale Sprachabstammung rechtfertigt im übrigen den Latinitätsbegriff. Der Geist des Lateinischen wurde nie von Nichtrömern übernommen. In Spanien verkörperte sich iberischer, in Gallien gallischer Geist in seiner Form, in Rumänien dakisch-byzantinischer, in Italien der urtümlich italienische. Was haben die Überschwenglichkeit und der Esprit der späteren lateinischen Nationen mit der römischen Haltung, Konzision und Gravität gemein! Einzig die Spanier mögen eine gewisse Ähnlichkeit mit den Römern haben. Aber die hatten sie wohl von je; deshalb wohl wurden verhältnismäßig so viele Spanier Cäsaren. Und gerade die Spanier verleugnen charakteristischerweise den modernen Latinitätsbegriff: ihre heutige Renaissance fassen sie als ausschließlich iberische auf.
Nun bleiben uns noch ein vierter und ein fünfter italienischer Grundzug zu betrachten übrig, welches auf einmal geschehe. Insofern die Urformen dieses Lebens pflanzenhafte Naturhaftigkeit und molekularer Zusammenhang sind, ist klar, dass Italien als solches nicht zum Subjekt, sondern zum Objekt der Geschichte prädestiniert ist. Die fixierte Energie eines Moleküls ist äußerst schwer in freie umzusetzen. Andererseits aber hat jedes sein beherrschendes Zentrum, entstehen neue immer nur um neue Einzelzentren herum. Von außen her kann man solche Gebilde gar nicht zusammenfassen. Dies führt denn zum Verständnis des spezifischen italienischen Individualismus. Überall in der Gesellschaft setzt
ein Typus, um hegelisch zu reden, recht eigentlich seinen Gegentyp; Jesus war Kontrastprodukt des Judentums, die weiche russische Masse setzt den Despoten à la Iwan der Schreckliche, Peter, Lenin, die Mediokrität der deutschen den einzigartig großen Geistesriesen. Ein molekular zusammenhängendes Gebilde ist nun unter Menschen ipso facto persönlich zusammenhängend. Dies gilt von jeder Familie, jeder echten Geistesgemeinschaft. Wo nun molekularer Zusammenhang die Grundform alles Gemeinschaftslebens ist, da folgt daraus extreme Betonung des persönlichen Momentes überhaupt; es geschieht nichts, außer irgend jemand zuliebe. Daher die so schöne, allen Volksschichten gleichmäßig eigene italienische Gentilezza, das reizende Verhältnis zu Kranken, die besondere Herzenshöflichkeit, die noch die meisten italienischen Betrüger und Räuber kennzeichnet. Diese selbstverständliche Anerkennung des Persönlichen als Wert ermöglicht zunächst jedem Einzelnen, sich als Monade zu fühlen. Sie ermöglicht aber auch dem überragenden Einzelnen, sich auf einzigartige Weise zur Geltung zu bringen. Auf geistigem Gebiete gab es in Italien eigentlich niemals Schulen und Schüler im deutschen Sinn; far da se war in Italien immer Leitmotiv. Wohl aber fand dort der bedeutende Einzelne von jeher einen persönlichen Anhang, wie er in sachlicher orientierten Völkergebilden nie zusammenkommt. Das seit Jahrhunderten größte Beispiel hierfür erleben wir Heutigen an Mussolini. Um ihn persönlich handelt es sich bei seiner Stellung, nicht den Fascismus; auf ihn persönlich bezieht sich der ganze Enthusiasmus; nichts konnte falscher sein, als hier die deutsche Kategorie des Sachlichen anzuwenden. Dass der Deutsche persönliches Sichausleben und persönliche Beziehung nicht in Funktion des Desinteressements denken kann, beweist nur seine besondere Beschränktheit.
Als dergestalt persönlich sich Auslebende, persönlich Gefolgte bestimmten nun in Italien von jeher Einzelne. Die größte Zeit solcher Einzelner war die Renaissance. Sie konnte die größte sein, weil erstens die italienische Blutmischung gerade damals besondere Spannungen hervorbrachte, weil zweitens der Zeitgeist dem sich erstmalig emanzipierenden Individuum besonders hold war, und endlich, weil die Wiederanknüpfung an die Antike und ihre Erdenfreudigkeit langunterdrückte italienische Urenergien frei machte. Hiermit hielten wir denn die letzterforderliche Koordinate zur Bestimmung dessen, wie in Italien historische Bewegung möglich ist. Die Masse an sich ist schwerer als irgendwo in Bewegung zu setzen; von sich aus bliebe sie ewig wie sie war; sie ist prädestiniertes Herrschaftsobjekt. Das uritalienische Verschwörer- und Bravotum beweist seinerseits die Wahrheit dieses Satzes: ein wesentlich lichtscheuer Anarchismus ist nie die Keimzelle politischer Zukunft, er ist nur Sicherheitsventil für einen Zustand im ganzen akzeptierter Kompression. Doch ein überragender Einzelner kann in Italien leichter als irgendwo anders von sich aus einen neuen molekularen Zusammenhang schaffen. Und besteht die also entstandene noch so kleine Minorität aus schnellen, bewegten und energischen Elementen, so gelangen sie bald zu unverhältnismäßiger Macht. Solche Minorität stellten zuerst, soweit wir die Geschichte übersehen, die alten Römer dar. Gewiss waren sie an sich
ein anderes als die übrigen Italiener, gehe dies nun mehr auf ihre Abstammung von Briganten oder auf nordischen Bluteinschlag zurück. Doch das Prestige, das sie erwarben — die Waffenübermacht tat’s zu keiner Zeit allein —, beruhte auf der Grundstruktur des Volks. Je mehr nun diese Sondermenschenklasse ausstarb oder sich verbrauchte, desto mehr machte sich die typische Artung der Bevölkerung geltend. Und diese bedingte, dass auf den einzelnen Cäsar oder Condottiere alles ankam. So bedeutet Mussolini nicht Unerhörtes, geschweige denn Unnatürliches; er bedeutet viel mehr das für Italien Normale, sobald es auf seinem Boden überhaupt Geschichte gibt. Lebten keine Mussolinis
, dann war Italiens Leben unhistorisch, wie das der Bauern. Demokratie im englischen oder französischen Verstände gab es dort nie. War niemand Überragendes da, dann lag die Macht bei den geheimen Gesellschaften, die wiederum auf ihre Art das Prinzip der Minoritätsherrschaft vertraten. In den letzten vorfascistischen Jahrzehnten herrschte de facto Giolitti; trat er ab und machte er augenfällig einem Gegner Platz, so bedeutete das einfach, dass er sich erholen oder irgendeinen Wind vorbeiblasen lassen wollte. Die demokratische Fassade war in Italien immer nur Fassade; war sie je mehr, dann ergab dies zwangsläufig Anarchie. Und von hier aus gewinnen wir einen weiteren Einblick in das wahre Wesen des römischen Katholizismus. Es muss kein Übermensch
sein, aber eben ein Mensch, dem man Gefolgschaft leistet. Der herrscht dann kraft seiner persönlichen Autorität. Parlamentarismus und Demokratie sind wirklich, wie die Fascisten behaupten, unitalienisch. Der fascistische Kult für Ordnung und Disziplin hat mit dem preußischen im Geiste nichts gemein: Ordnung von außen her ist in Italien Unhaltbar; dort kann sie nur bestehen, wo sie von persönlichem Enthusiasmus der Einzelnen getragen wird. Es ist die persönliche Leidenschaft für die res publica, die den Fascisten macht, genau wie den alten Römer. Insgleichen wirkt die Autorität in Italien immer nur durch das innere Zentrum der Persönlichkeit hindurch. So ist denn auch der Autoritätsbegriff der römischen Kirche von persönlichem Glauben an sie untrennbar. Eben weil nur die persönliche Zustimmung zur Autorität, und nicht deren Dasein an sich, den Katholiken macht, muss man zum Katholiken geboren sein. Deswegen steht diese Kirche dem Konvertiten, was immer sie vorgäbe, von Instinkts wegen misstrauisch gegenüber.