Schule des Rades
Hermann Keyserling
Unsterblichkeit
Vorwort
Zur zweiten Auflage
Die Stimmung, aus der dieses Werk entstand, ist mir trotz der kurzen Zeit, die seither verflossen ist, so fremd geworden, dass ich ein persönliches Verhältnis zu ihm nicht mehr gewinnen kann. Als ein fremdes muss ich es auffassen, als ein fremdes behandeln. Daher leitet mich bei dieser Neuausgabe als einziger Gesichtspunkt die Pietät. Ich habe kaum etwas geändert, wie vieles mir auch änderungsbedürftig schien, ich habe so manchen Satz stehenlassen, den ich heute nicht mehr niederschreiben würde. Die Freunde dieses Buches (deren es doch so manche geben muss, da schon jetzt eine Neuauflage erwünscht erscheint) haben ein Recht darauf, dass sie es unverstümmelt wiedererhalten, dass kein Fremder seinen Geist verfälsche.
Nur eine nennenswerte Änderung habe ich mir erlaubt, und diese nur deshalb, weil sie mir vom Standpunkt der ursprünglichen Konzeption aus notwendig erschien: ich habe das Schlusskapitel gestrichen. Dieses wurde nämlich zur Hälfte von Gedankengängen eingenommen, die anderen Zusammenhängen angehören und nur durch ein Missverständnis in die Unsterblichkeit hineingeraten waren; es enthielt weniger das Fazit dieser Untersuchung, als das Programm zu späteren, die ich damals freilich noch nicht bewusst geplant hatte. So musste dieses achte Kapitel, trotz mancher nicht unwichtiger Einzelheiten, welche wirklich zur Vollendung der Grundidee beitrugen, als Trübung des Gesamtbildes wirken. Da nun das Buch, als künstlerische Komposition betrachtet, von jeher mit dem siebenten Kapitel zu Ende war und die Form für den Inhalt meistens symbolisch ist, so dürfte es durch diese Abkürzung nur gewonnen haben.
An Gedanken geht übrigens nichts verloren. Diejenigen, welche ohne innere Berechtigung in der Unsterblichkeit Platz gefunden hatten, stehen jetzt in den Prolegomena zur Naturphilosophie an der Stelle, die ihnen gebührt. Was aber die Grundfragen der Religionsphilosophie betrifft, welchen auf den Seiten, die nun fortbleiben, längere Betrachtungen gewidmet waren, so hoffe ich späterhin mit größerer Sachkenntnis auf dieselben zurückzukommen1.
1 | Dies ist seither in meinem Reisetagebuch eines Philosophen (3. Aufl., Darmstadt 1920) geschehen. [Anmerkung zur dritten Auflage.] |
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