Schule des Rades
Hermann Keyserling
Wiedergeburt aus dem Geist
III. Der letzte Sinn der Freiheit
Worin besteht Freiheit?
Der Zusammenklang der Tagung muss Ihnen das Hauptergebnis des Eingangsvortrags restlos bestätigt haben: eine Freiheit, deren Wirken von Normen unabhängig wäre, gibt es nicht, in keiner Dimension. Alles persönliche Schaffen, auf das allein der Freiheitsbegriff sich sinnvoll bezieht, gehört nach innen zu einem dynamischen Zusammenhang an, der sich, so oder anders, nur als Gesetzeszusammenhang begreifen lässt. In seinem eigensten Bereich hält das Schaffen, als je freier es sich erweist, desto strenger die ihm immanenten Normen ein. Seine Äußerung in der Außenwelt hängt weiter absolut vom Befolgen und Berücksichtigen von deren Gesetzen ab, handle es sich um die Natur oder die Menschengemeinschaft. Erdenthaftung gelingt ihrerseits nur gemäß bestimmten Gesetzen. Und sucht man diesen Tatbestand vom Standpunkt kritischer Philosophie aus zu begreifen, so kann man, wenn man vom Sinn des logischen Begriffs der Willensfreiheit ausgeht, diese nur entweder leugnen oder aber, wenn man der Zuständigkeit der Fragestellung für das Verständnis der so betrachteten Wirklichkeit nicht sicher ist, bei einem Ich weiß nicht
halt machen, so wie Driesch es tat. Der Eingangsvortrag belehrte uns nun schon darüber, dass Freiheit und Norm unter keinen Umständen Gegensätze sein können, weil Wirklichkeit und Gesetzeszusammenhang Wechselbegriffe sind.
Er nahm weiter vorweg, dass die Frage Freiheit oder Notwendigkeit?
diesseits der Frage nach der Gesetzmäßigkeit liegt, weshalb deren Nachweis über jene an sich nichts präjudiziert; trotz aller Gesetze ist deshalb, logisch betrachtet, im geordneten Weltganzen auch für Freiheit Raum; nämlich für Freiheit nicht zwar im Sinn ihrer möglichen Definition, sondern dessen, was ihrem Begriff real zugrunde liegen mag. Und er zeigte endlich, dass man beim Freiheitsproblem sinnvoll nur fragen darf, worin besteht Freiheit, nicht ob solche in irgendeinem logischen Verstande existiert. Dass es solche als Realgrundlage des Begriffes gibt, machte auch schon der Eingangsvortrag klar, und alle späteren haben diese Wahrheit grundsätzlich bestätigt. Der Drieschsche insofern, als Logik und Metaphysik sie nicht schlechthin verneinen können, denn wenigstens Zulassungsfreiheit
gebe es höchstwahrscheinlich; die weiteren in Form realer Illustration. Selbstbestimmung steht als mögliche Tatsache außer Frage, wie immer man sie deute. Andererseits haben alle Vorträge das Ergebnis des ersten bestätigt, dass es sich bei dem, was unter Freiheit sinnvoll verstanden werden kann, um ein begrenztes Bereich der Wirklichkeit handelt, in welcher Hinsicht der von Wilhelm besonders lehrreich war, indem er feststellte, dass es zum mindesten erlebnismäßig ganz gewiss nicht allein ein Diesseits, sondern auch ein Jenseits der Freiheit gibt. Nichtsdestoweniger haben wir den positiven Freiheitsbegriff noch nicht gewonnen. Ihn soll, auf Grund alles Vorhergehenden, dieser Schlussvortrag schaffen.