Schule des Rades
Richard Wilhelm
I Ging · Das Buch der Wandlungen
Erstes Buch: Der Text — Zweite Abteilung
32. Hong - Die Dauer
oben Dschen, das Erregende, der Donner | |
unten Sun, das Sanfte, der Wind |
Auf gesellschaftliche Verhältnisse übertragen, haben wir hier die Einrichtung der Ehe als dauernder Verbindung der Geschlechter. Während bei der Werbung der junge Mann sich unter das Mädchen stellt, ist bei der Ehe, die durch das Zusammensein des ältesten Sohnes und der ältesten Tochter repräsentiert wird, der Mann nach außen hin leitend und bewegend, die Frau im Innern sanft und gehorchend.
Das Urteil
Fördernd ist Beharrlichkeit.
Fördernd ist, zu haben, wohin man gehe.
So haben die Himmelskörper ihre Bahnen am Himmel und können daher dauernd leuchten. Die Jahreszeiten haben ein festes Gesetz des Wechsels und der Umbildung und können daher dauernd wirken.
Und so hat auch der Berufene einen dauernden Sinn in seinem Weg, und die Welt kommt dadurch zur fertigen Bildung. Aus dem, worin die Dinge ihre Dauer haben, kann man die Natur aller Wesen im Himmel und auf Erden erkennen.
Das Bild
So steht der Edle fest und wandelt seine Richtung nicht.
Die einzelnen Linien
Anfangs eine Sechs bedeutet:
- Zu rasch Dauer wollen, bringt beharrlich Unheil.
Nichts, was fördernd wäre.
Etwas Dauerndes lässt sich nur allmählich durch lange Arbeit und sorgfältiges Nachdenken schaffen. Wenn man etwas zusammendrücken will, muss man es erst sich ordentlich ausdehnen lassen
, sagt Laotse in diesem Sinn. Wer gleich auf einmal zu viel verlangt, der überstürzt sich. Und weil er zu viel will, gelingt ihm schließlich gar nichts.
Neun auf zweitem Platz bedeutet:
- Reue schwindet.
Die Situation ist abnorm. Die Kraft des Charakters ist stärker als die zu Gebote stehende materielle Macht. Da könnte man vielleicht fürchten, dass man sich zu etwas hinreißen ließe, das über die Kraft geht. Allein da es die Zeit der Dauer ist, gelingt es, die innere Kraft zu beherrschen, so dass jedes Zuviel vermieden wird und so der Anlass zur Reue schwindet.
Neun auf drittem Platz bedeutet:
- Wer seinem Charakter nicht Dauer gibt,
dem bietet man Schande.
Beharrliche Beschämung.
Wenn man in seinem Wesen umgetrieben wird von Stimmungen, die von der Außenwelt durch Furcht und Hoffnung erregt werden, so verliert man die innere Konsequenz des Charakters. Solche innere Inkonsequenz führt dauernd zu peinlichen Erlebnissen. Diese Beschämungen kommen häufig von einer Seite, an die man nicht gedacht hatte. Sie sind auch nicht sowohl Wirkungen der Außenwelt, als gesetzmäßige Zusammenhänge, die von dem eigenen Wesen ausgelöst werden.
Neun auf viertem Platz bedeutet:
- Im Feld ist kein Wild.
Wenn man auf der Jagd zu Schuss kommen will, so muss man es auf die rechte Weise anfangen. Wenn man dauernd dem Wild an einem Orte nachstellt, wo es keines gibt, so kann man noch so lange warten und findet keines. Dauer im Suchen genügt nicht. Was man nicht auf die rechte Weise sucht, findet man nicht.
Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
- Seinem Charakter Dauer geben durch Beharrlichkeit,
das ist für eine Frau von Heil, für einen Mann von Unheil.
Eine Frau soll ihr ganzes Leben einem Manne folgen, der Mann aber soll sich an das halten, was jeweils seine Pflicht ist; wenn er sich dauernd nach der Frau richten wollte, so wäre das für ihn ein Fehler.
Dementsprechend ist für eine Frau konservatives Halten am Hergebrachten ganz gut. Dagegen der Mann muss beweglich und anpassungsfähig bleiben und darf sich nur durch das bestimmen lassen, was jeweils seine Pflicht verlangt.
Oben eine Sechs bedeutet:
- Rastlosigkeit als dauernder Zustand bringt Unheil.
Es gibt Menschen, die dauernd in hastiger Bewegung sind, ohne innerlich zur Ruhe zu kommen. Die Rastlosigkeit hindert nicht nur alle Gründlichkeit, sondern wird direkt zur Gefahr, wenn sie an maßgebender Stelle herrscht.