Schule des Rades
Richard Wilhelm
I Ging · Das Buch der Wandlungen
Erstes Buch: Der Text — Zweite Abteilung
45. Tsui - Die Sammlung
oben Dui, das Heitere, der See | |
unten Kun, das Empfangende, die Erde |
Zusammenhalten(Nr. 8), nach Form und Bedeutung verwandt. Dort das Wasser über der Erde, hier ein See über der Erde. Der See ist der Sammlungspunkt des Wassers, daher ist die Idee der Sammlung hier noch stärker ausgedrückt als in jenem Zeichen. Derselbe Grundgedanke ergibt sich auch daraus, dass es hier zwei starke Striche sind auf viertem und fünftem Platz, welche die Sammlung bewirken, während dort nur ein Strich an fünfter Stelle inmitten der Schwachen steht.
Das Urteil
Der König naht sich seinem Tempel.
Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen.
Das bringt Gelingen. Fördernd ist Beharrlichkeit.
Große Opfer zu bringen schafft Heil.
Fördernd ist es, etwas zu unternehmen.
Wo die Menschen gesammelt werden sollen, bedarf es der religiösen Kräfte. Aber es muss auch ein menschliches Haupt als Mittelpunkt der Sammlung da sein. Um andere sammeln zu können, muss dieser Mittelpunkt der Sammlung erst in sich selbst gesammelt sein. Nur durch gesammelte moralische Kraft lässt sich die Welt einigen. Solche großen Einigungszeiten werden dann auch große Werke hinterlassen. Das ist der Sinn der großen Opfer, die gebracht werden. Und auch auf weltlichem Gebiet bedarf es in Zeiten der Sammlung großer Werke.
Das Bild
das Bild der Sammlung.
So erneuert der Edle seine Waffen,
um Unvorhergesehenem zu begegnen.
Die einzelnen Linien
Anfangs eine Sechs bedeutet:
- Wenn du wahrhaftig bist, doch nicht bis zum Ende,
so gibt es bald Verwirrung, bald Sammlung.
Wenn du rufst, so kannst du nach einem Griff wieder lachen.
Bedauere nicht. Hingehen ist ohne Makel.
Die Lage ist hier, dass man sich sammeln will um einen Führer, zu dem man aufblickt. Doch befindet man sich in zahlreicher Gesellschaft, durch die man sich beeinflussen lässt, so dass man in seinem Entschluss wankend wird. So hat man keinen festen Mittelpunkt für eine Sammlung. Wenn man aber dieser Not Ausdruck verleiht und um Hilfe ruft, so genügt ein Griff des Führers, um alle Not zu wenden. Darum darf man sich nicht irremachen lassen. Sich an jenen Führer anzuschließen, ist ohne weiteres das rechte.
Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
- Sich ziehen lassen bringt Heil und bleibt ohne Makel.
Wenn man wahrhaftig ist,
so ist es auch fördernd, ein kleines Opfer zu bringen.
Man soll in Zeiten der Sammlung seinen Weg nicht willkürlich wählen. Es sind geheime Kräfte am Werk, die die Menschen zusammenführen, die zueinander passen. Dieser Anziehung muss man sich überlassen, dann macht man keinen Fehler. Wo innere Beziehungen vorhanden sind, da sind keine großen Vorbereitungen und Förmlichkeiten nötig. Man versteht sich ohne weiteres, wie die Gottheit auch ein kleines Opfer gnädig annimmt, wenn es von Herzen kommt.
Sechs auf drittem Platz bedeutet:
- Sammlung unter Seufzen. Nichts, das fördernd wäre.
Hingehen ist ohne Makel. Kleine Beschämung.
Man hat oft das Bedürfnis des Anschlusses, aber alle andern in der Umgebung haben sich schon untereinander zusammengeschlossen, so dass man isoliert bleibt. Die ganze Lage ist so, dass sie sich als unhaltbar erweist. Da gilt es, sich dem Fortschritt zuzuwenden, entschlossen sich an einen Mann anzuschließen, der dem Mittelpunkt der Sammlung nähersteht und einen in den geschlossenen Kreis einzuführen vermag. Das ist kein Fehler, auch wenn man als Außenseiter zunächst eine etwas beschämende Stellung hat.
Neun auf viertem Platz bedeutet:
- Großes Heil! Kein Makel.
Es ist hier ein Mann gezeichnet, der im Namen seines Herrn die Menschen um sich sammelt. Da er keine Sondervorteile für sich erstrebt, sondern uneigennützig an der allgemeinen Einheit arbeitet, so ist seine Arbeit von Erfolg gekrönt, und alles wird recht.
Neun auf fünftem Platz bedeutet:
- Wenn man beim Sammeln die nötige Stellung hat,
so gibt es keinen Makel.
Wenn manche noch nicht wahrhaft dabei sind,
so bedarf es erhabener, dauernder Beharrlichkeit,
dann schwindet die Reue.
Wenn sich die Menschen von selbst um einen sammeln, so ist das, wenn es einem ungesucht zuteil wird, nur gut. Man bekommt dadurch einen gewissen Einfluss, der durchaus nützlich sein kann. Aber damit ist natürlich auch die Möglichkeit gegeben, dass sich manche um einen sammeln, die nicht aus innerem Vertrauen kommen, sondern nur um der einflussreichen Stellung willen. Das ist gewiss bedauerlich. Solchen Leuten gegenüber gibt es kein anderes Mittel, als ihr Vertrauen zu erwerben durch vermehrte, unentwegte Pflichttreue und Beständigkeit. Dadurch wird das geheime Misstrauen allmählich überwunden, und der Anlass zum Bedauern fällt weg.
Oben eine Sechs bedeutet:
- Klagen und Seufzen, Tränen in Strömen! Kein Makel.
Es kann vorkommen, dass man sich wohl anschließen möchte, aber in seinen guten Absichten verkannt wird. Da ist man traurig und klagt. Aber das ist der rechte Weg. Denn dadurch kann es kommen, dass der andere zur Besinnung kommt und man den gesuchten und schmerzlich vermissten Anschluss doch noch findet.