Schule des Rades
Richard Wilhelm
I Ging · Das Buch der Wandlungen
Zweites Buch: Das Material — Da Dschuan — Die große Abhandlung
Kapitel 9
Die Linien (Fortsetzung)
Es wird hier das Verhältnis der Linien zum Gesamtzeichen besprochen. Die Zeichen bauen sich aus den einzelnen Linien als ihrem Material von unten nach oben auf. Die einzelnen Linien haben innerhalb dieses Zusammenhangs die Bedeutung, die ihnen durch die jeweilige Situation zukommt.
Hier werden zunächst der Anfangs- und der obere Strich in ihrem gegenseitigen Verhältnis gezeichnet. Beide stehen sozusagen außerhalb des eigentlichen Zeichens und der Kernzeichen. Im einen beginnt die Handlung erst sich zu entfalten, im andern schließt sie ab.
Die mannigfaltig abgestuften Dinge ergeben sich aus den mannigfaltig abgestuften Plätzen. Ihre Art ist ihr fester oder weicher Charakter. Recht und Unrecht unterscheiden sich daraus, ob die Linien dem Zeitsinn entsprechend auf den ihnen gebührenden Plätzen stehen oder nicht.
Im Kommentar zur Entscheidung sind immer die Herren der Zeichen angegeben. Indem man sich daran die weiteren Beziehungen der Linien zu diesen Herren des Zeichens überlegt, kann man sich schon einen ungefähren Überschlag über ihre Stellung und Bedeutung im Gesamtzeichen machen.
Der fünfte Platz ist der Platz des Herrschers. Der zweite und vierte Platz sind die Plätze der Beamten: Der zweite, der zum fünften im Verhältnis des Entsprechens steht (beide sind der zentrale Platz im inneren bzw. äußeren Zeichen), ist der Beamte, der fern vom Hofe im Lande draußen an der Arbeit ist. Der vierte Platz ist der Platz des Ministers. Darum sind die beiden Plätze — beides dunkle, d. h. abhängige — trotz Übereinstimmung in der Arbeit nicht gleich an Güte. Der zweite hat meist ein günstiges Urteil, der vierte meist ein warnendes: weil er zu nahe beim Fürsten ist, muss er doppelt vorsichtig sein. Nun liegt es eigentlich in der Art des Weichen, dass es nicht fördernd für dasselbe ist, wenn es fern vom Festen ist. Man sollte daher denken, der zweite Platz sei weniger günstig. Allein für ihn kommt in Betracht, dass er zentral gelegen ist, daher ohne Makel bleibt.
Der fünfte Platz ist der Platz des Herrschers, der dritte als oberster des inneren Zeichens hat wenigstens eine beschränkte Macht. Aber er ist nicht zentral, an einer unsicheren Stelle, an der Grenze zweier Zeichen. Darin, sowie in seinem niederen Rang liegen Momente der Schwäche, die den Platz in den meisten Lagen als gefährdet erscheinen lassen. Der fünfte Platz ist zentral, der Herrscher des Ganzen, auf starkem Platz: das alles sind Momente der Stärke, die den Sieg verheißen.