Schule des Rades
Richard Wilhelm
I Ging · Das Buch der Wandlungen
Zweites Buch: Das Material — Die Struktur der Zeichen
1. Allgemeines
Aus dem Bisherigen ergibt sich zum größten Teil das zum Verständnis der Zeichen Nötige. Es soll hier jedoch noch ein Überblick gegeben werden über das, was zur Struktur der Zeichen gehört, damit man sich darüber klar zu werden vermag, warum die Zeichen nun gerade diese Bedeutung haben, die sie haben, warum die Linien den oft phantastisch anmutenden Text haben, der ihnen beigeschrieben ist und der in allegorischer Weise ausdrückt, welche Stellung sie im Ganzen der Situation des Gesamtzeichens haben und inwieweit sie daher Glück oder Unglück bedeuten.
Dieser Unterbau der Erklärung ist von den chinesischen Kommentatoren sehr weit getrieben worden. Namentlich seit im Lauf der Han-Zeit die Zaubergeheimnisse der fünf Wandelzustände mit dem Buch der Wandlungen verknüpft wurden, hat sich immer mehr Geheimnis und schließlich auch immer mehr Hokuspokus an das Buch angeschlossen, dem das Buch den Ruf seiner Tiefe und Unverständlichkeit verdankt. Wir glauben, mit diesem ganzen Geranke den Leser verschonen zu dürfen, und haben nur das gegeben, was sich aus dem Text und den ältesten Kommentaren als zugehörig erweist.
Selbstverständlich hat ein Buch wie das Buch der Wandlungen stets einen irrationalen Rest. Warum im Einzelfall diese Seite hervorgehoben wird und nicht eine andre, die an sich ebenso möglich wäre, darüber lässt sich ebensowenig Rechenschaft geben wie darüber, warum die Ochsen Hörner haben und nicht stattdessen obere Vorderzähne wie die Pferde. Was möglich ist, das ist nur der Nachweis der Zusammenhänge innerhalb des durch Setzung Gegebenen; um im Gleichnis zu bleiben, käme es der Erklärung gleich, inwiefern das Wachsen von Hörnern und Fehlen der oberen Vorderzähne in organischer Verbindung stehen.