Schule des Rades
Richard Wilhelm
I Ging · Das Buch der Wandlungen
Drittes Buch: Die Kommentare — Erste Abteilung
25. Wu Wang - Die Unschuld, (das Unerwartete)
Kernzeichen:Sun und Gen |
Das Feste kommt von außen und wird zum Herrn im Innern.Das bezieht sich auf den Anfangsstrich. Ferner heißt es:
Das Feste ist in der Mitte und findet Entsprechung.Das bezieht sich auf den fünften Strich.
Die Reihenfolge
Vermischte Zeichen
Das Zeichen hat eine sehr stark aufsteigende Tendenz, sowohl das untere als das obere Zeichen haben die Bewegungsrichtung nach oben. Es ist Bewegung in Harmonie mit dem Himmel darin angedeutet: das wahrhaft ursprüngliche Wesen des Menschen. Die beiden Kernzeichen Gen, das Stillehalten, der Berg, und Sun, das Sanfte, der Wind (Baum), geben den Gedanken der Wirkung und Entwicklung der ursprünglichen Anlagen.
Das Urteil
Fördernd ist Beharrlichkeit.
Wenn jemand nicht recht ist, so hat er Unglück,
und nicht fördernd ist es, irgend etwas zu unternehmen.
Kommentar zur Entscheidung
Großes Gelingen durch Korrektheit. Das ist der Wille des Himmels.
Wenn jemand nicht recht ist, so hat er Unglück, und nicht fördernd ist es, irgend etwas zu unternehmen.Wenn die Unschuld weg ist, wohin will man dann gehen? Wenn der Wille des Himmels einen nicht schützt, kann man dann etwas machen?
Wo aber der Naturzustand nicht dieser Zustand der Unschuld ist, wo Begierden und Gedanken sich regen, da folgt das Unglück mit innerer Notwendigkeit. Das Zeichen ist von dem Zeichen Pi, Stockung, eben nur durch den festen Strich zu Anfang geschieden. Wenn der seine Festigkeit verlöre, so würde die ganze Situation sich verändern*.
Das Bild
alle Dinge erlangen den Naturzustand der Unschuld.
So pflegten und nährten die alten Könige,
reich an Tugend und entsprechend der Zeit, alle Wesen.
Unter dem Himmel geht der Donner: alle Dinge erlangen den Naturzustand der Unschuld.Das erklärt sich aus dem Satz aus der Besprechung der Zeichen:
Gott tritt hervor im Zeichen Dschen.Da ist der Anfang alles Lebens. Hier haben wir das Schöpferische oben in der Gemeinschaft mit der Bewegung. Das obere Kernzeichen ist Holz, das untere Berg.
Die reiche Tugend ist die Kraft des Schöpferischen. Die Zeit ist angedeutet durch das Zeichen Dschen (das den Osten und den Frühling bedeutet), in dem das Leben hervortritt. Pflegen und Ernähren werden angedeutet durch das Kernzeichen Gen, der Berg. Dass sich der Einfluss auf alles erstreckt, wird symbolisiert durch das Kernzeichen Sun, das Wind und allgemeines Durchdringen bedeutet.
Die einzelnen Linien
Anfangs eine Neun bedeutet:
- Unschuldiger Wandel bringt Heil!
- Unschuldiger Wandel erreicht seinen Willen.
Die Unschuld ist symbolisiert durch die lichte Natur des Striches, der als beherrschend unter die beiden Schattigen tritt. Da er vom Himmel stammt, hat er die Gewähr des Gelingens in sich. Er erreicht sein Ziel mit intuitiver Sicherheit.
Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
- Wenn man beim Pflügen nicht ans Ernten denkt
und beim Roden nicht an das Benützen des Feldes:
dann ist es fördernd, etwas zu unternehmen. - Nicht pflügen, um zu ernten, d. h. man sucht nicht Reichtum.
Das Zeichen Dschen bedeutet Holz, daher Pflug, der zweite Platz ist der Ort des Feldes. Das Kernzeichen Gen bedeutet Hand, daher das Bild des Rodens.
Der Strich ist zentral und korrekt. Er ist einerseits im Verhältnis des Zusammenhaltens zur Anfangsneun und andererseits im Verhältnis des Entsprechens zur Neun auf fünftem Platz. Aber weil er zentral und korrekt ist, lässt er sich durch diese Beziehungen nicht aus seiner Bahn bringen. Er ist der unterste des Kernzeichens Gen, das Stillehalten, daher hält er seine Gedanken stille, andererseits ist er in der Mitte des Zeichens Dschen, Bewegung, darum mag er etwas unternehmen.
Sechs auf drittem Platz bedeutet:
- Unverschuldetes Unglück:
Die Kuh, die von jemand angebunden war,
ist des Wanderers Gewinn, des Bürgers Verlust. - Wenn der Wanderer die Kuh bekommt, ist das des Bürgers Verlust.
Der Strich steht auf der Spitze der Bewegung und am Anfang des Kernzeichens Sun, Wind. Deshalb ist er mit seinen Bewegungen nicht im Einklang mit der Zeit. Er ist von beiden Herren des Zeichens gleich weit entfernt, daher findet er nach keiner Seite den rechten Anschluss. Durch Verwandlung entsteht unten das Zeichen Li, das Kuh bedeutet.
Neun auf viertem Platz bedeutet:
- Wer vermag beharrlich zu sein, bleibt ohne Makel.
Wer vermag beharrlich zu sein, bleibt ohne Makel
; denn er besitzt ja fest.
Die Neun auf viertem Platz ist ursprünglich weder korrekt noch zentral. Doch vermag sie als unterster Strich des Zeichens Kiën ihre zu dem Zeichen das Schöpferische
gehörige Festigkeit zu bewahren. Dadurch bleibt sie von dem sonst zu fürchtenden Makel frei.
Neun auf fünftem Platz bedeutet:
- Bei unverschuldeter Krankheit gebrauche keine Arznei.
Es wird schon von selber gut werden. - Unbekannte Arznei soll man nicht versuchen.
Die Arznei wird durch die beiden Kernzeichen Holz und Stein (Berg) nahegelegt.
Die Krankheit ist unverschuldet; denn der Strich als Mittelstrich des Schöpferischen ist seinem Wesen nach frei von Krankheit; dass er als krank erscheint, kommt von seiner Art, die Krankheiten anderer auf sich zu nehmen. Er besitzt in seiner zentralen, korrekten, herrschenden Stellung die Vorbedingungen, dass sich an seiner Person die stellvertretend auf sich genommenen Übel auswirken.
Oben eine Neun bedeutet:
- Unschuldiges Handeln bringt Unglück.
Nichts ist fördernd. - Das Handeln ohne Überlegung bringt das Übel der Ratlosigkeit.
Der Strich steht in Beziehung zu der schwachen, unruhigen Sechs auf drittem Platz. Gedankenloses Handeln bringt Unglück. Der Strich ist am Ende, zu einer Zeit, da das Handeln nicht mehr am Platz ist. Instinktiv weiterzumachen, führt zu Ratlosigkeit. Der Strich bezeichnet eine ähnliche Lage wie der oberste Strich des Schöpferischen**.
Anmerkung:
* | Es kommen in diesem Zeichen Gedanken zur Darstellung, die mit den mystischen Deutungen der Sagen vom Paradieszustand und Sündenfall übereinstimmen. |
---|---|
** | Die sechs Striche sind alle unschuldig, d. h. naiv, ohne Hintergedanken. Die Anfangsneun hat den entsprechenden Platz und ist der Herr des Zeichens der Bewegung: das deutet darauf, dass die Zeit zu handeln da ist. Darum bringt Handeln Glück. Die obere Neun steht nicht am rechten Platz und ist auf dem äußersten Punkt des Zeichens Kiën. Die Zeit zu handeln ist schon vorüber. Darum bringt das Handeln, auch wenn es naiv ist, Unglück. Alles kommt auf die Zeit an. Der Anfangsstrich hat Heil, der zweite ist fördernd: das macht die Zeit. Beim dritten heißt es Unglück, beim fünften Krankheit, beim obersten Unglück. Das alles ist nicht absichtlich gemacht, sondern ebenfalls die Folge der Zeitumstände. Der erste und zweite Strich haben die Möglichkeit vorwärtszukommen. Die Zeit ist da, sich zu bewegen. Der vierte soll beharrlich bleiben, der fünfte keine Arznei benützen, der oberste hat Unglück, wenn er handelt: das alles deutet darauf, dass für sie die Zeit da ist, sich ruhig zu verhalten. |