Schule des Rades
Richard Wilhelm
I Ging · Das Buch der Wandlungen
Drittes Buch: Die Kommentare — Zweite Abteilung
44. Gou - Das Entgegenkommen
Kernzeichen:Kiën und Kiën |
Entgegenkommenhat seine Bedeutung von der einen dunklen Linie, die unten entsteht; darum ist die Anfangslinie der konstituierende Herr des Zeichens. Aber die fünf Yangstriche haben alle die Pflicht, das Yin zu bändigen; darunter haben der zweite und der fünfte starkes und zentrales Wesen, der eine steht ihm nahe, um es zu bändigen, der andere weilt auf dem Ehrenplatz und kommt von oben her, es zu bändigen. Darum sind die Neun auf fünftem und die Neun auf zweitem Platz die herrschenden Herren des Zeichens.
Die Reihenfolge
Vermischte Zeichen
Das Zeichen ist die Umkehrung des vorigen.
Das Urteil
Man soll ein solches Mädchen nicht heiraten.
Kommentar zur Entscheidung
Das Schwache tritt dem Festen entgegen.
Man soll ein solches Mädchen nicht heiraten.
Das bedeutet, dass man nicht dauernd mit ihr leben kann.
Wenn Himmel und Erde zusammentreffen, so kommen alle Geschöpfe in feste Linien.
Wenn das Feste die Mitte und das Rechte trifft, so geht alles unter dem Himmel herrlich voran.
Groß wahrlich ist der Sinn der Zeit des Entgegenkommens.
Tritt man auf Reif, so naht das feste Eis.Es gilt daher, rechtzeitig die allmähliche Ausdehnung zu verhindern. Das Wachstum des Wegs der Gemeinen kommt davon her, dass die Edlen sie mit Macht betrauen. Wenn beim ersten Auftreten des Gemeinen das vermieden wird, so kann diese Gefahr vermieden werden.
Wenn der Starke zum erstenmal inmitten der Yinlinien auftritt, so heißt das Zeichen
Wiederkehr. Der Edle weilt immer da, wo er hingehört. Er kommt nur in sein Eigentum. Beim Schwachen heißt das Zeichen:
Entgegenkommen, Antreffen. Der Gemeine ist immer auf günstigen Zufall angewiesen.
Die Ehe ist eine Einrichtung für die Dauer. Wenn sich aber ein Mädchen mit fünf Männern abgibt, so ist ihr Wesen nicht rein, und man kann nicht dauernd mit ihr leben. Darum soll man sie nicht heiraten.
Was aber in der menschlichen Gesellschaft vermieden werden muss, das hat im Lauf des Naturlebens seine Bedeutung. Hier ist das Zusammentreffen der irdischen und himmlischen Kräfte von großer Bedeutung; denn in dem Augenblick, in dem das Irdische eintritt, während das Himmlische auf der Höhe ist – im fünften Monat –, entfalten sich alle Dinge zur Höhe ihrer körperlichen Erscheinung, und das Dunkle kann dem Lichten nicht schaden. Die beiden Herren des Zeichens, Neun auf fünftem Platz und Neun auf zweitem Platz, symbolisieren ebenfalls ein solches heilvolles Zusammentreffen. Hier begegnet ein starker und zentraler Gehilfe einem starken, zentralen und korrekten Herrn; dadurch kommt große Blüte, so dass der Gemeine unten nicht schaden kann. Es ist also eine wichtige Zeit, die Zeit des Zusammentreffens des Lichten mit dem Dunklen.
Das Bild
das Bild des Entgegenkommens.
So macht es der Fürst beim Verbreiten seiner Befehle
und ihrer Verkündigung an die vier Himmelsgegenden.
Die einzelnen Linien
Anfangs eine Sechs bedeutet:
- Man muss es hemmen mit ehernem Radschuh.
Beharrlichkeit ist von Heil.
Wenn man es hingehen lässt, so erfährt man Unheil.
Auch ein mageres Schwein hat die Anlage dazu, umherzutoben. Hemmen mit ehernem Radschuh.
Das bedeutet, dass es der Weg des Schwachen ist, geführt zu werden.
Der Radschuh ist unten. Kun, dessen erster Strich hier vorhanden ist, bedeutet einen Wagen; Kiën ist Metall, durch das der Wagen unten gehemmt werden soll. Diese Hemmung bringt Heil, weil es der Wahrheit entspricht, dass das Schwache, das sich nicht selbst leiten kann, geführt wird. Lässt man es gehen, so widerfährt einem Unheil. Das zeigt die Tendenz des ganzen Zeichens. Dass dieser Strich mit einem noch schwachen, mageren Schwein verglichen wird, das später umhertollen wird, bezieht sich ebenfalls auf seine Yin-Natur; das Schwein gehört dem Wasser, und zwar seiner Yinseite zu. Beachtenswert ist, dass diese Linie nur als Objekt in Betracht kommt.
Neun auf zweitem Platz bedeutet:
- Im Behälter ist ein Fisch. Kein Makel!
Nicht fördernd für Gäste. Im Behälter ist ein Fisch.
Es ist Pflicht, ihn nicht den Gästen zukommen zu lassen.
Der Fisch ist ebenfalls ein Tier des Yinprinzips. Gemeint ist damit die Anfangssechs. Diese Sechs steht im Verhältnis des Entsprechens zur Neun auf viertem Platz. Das ist der Gast
. Damit käme aber das Yinelement zu weit in das Zeichen hinein. Deshalb wird die Anfangssechs wie ein Fisch im Fischbehälter, von der Neun auf zweitem Platz, die den treuen Beamten repräsentiert und im Verhältnis des Zusammenhaltens mit der Anfangssechs steht, festgehalten. Dann geht alles gut, obwohl das Wort, das mit Behälter wiedergegeben ist, die Meinung in sich schließt, dass das Yinelement durchaus freundlich gehalten wird.
Neun auf drittem Platz bedeutet:
- An den Oberschenkeln ist keine Haut,
und das Gehen fällt schwer.
Wenn man der Gefahr eingedenk ist,
macht man keinen großen Fehler. Das Gehen fällt schwer.
Er geht noch immer, ohne sich führen zu lassen.
Dieser Strich entspricht – da das Zeichen aus dem letzten durch Umkehrung entstanden ist – der Neun auf viertem Platz des Zeichens Guai, daher auch ähnliche Worte. Aber die innere Verfassung ist anders : dort ist die entschiedene Absicht, nach oben zu dringen, um das Dunkle hinauszuwerfen, hier das Verlangen, mit der unteren, dunklen Linie zusammenzutreffen. Diese ist aber durch die Neun auf zweitem Platz bereits in Gewahrsam genommen, so dass ein Zusammentreffen – das ja auch unheilvoll wäre – nicht möglich ist. Durch die Nachbarschaft mit dem oberen Zeichen Kiën ist die Möglichkeit gegeben, die Gefahr zu erkennen, doch ist die Lust noch nicht befriedigt, daher das Unbefriedigende der Lage, obwohl große Fehler vermieden werden.
Neun auf viertem Platz bedeutet:
- Im Behälter ist kein Fisch.
Daraus erhebt sich Unheil. - Das Unheil, dass kein Fisch im Behälter ist, kommt davon, dass er sich fern vom Volk gehalten hat.
Der vierte Platz ist der Platz des Ministers. Die Anfangssechs bedeutet hier das gemeine, niedrige Volk. An sich ist die Beziehung des Entsprechens vorhanden. Es wäre auch Pflicht des Beamten, mit dem Volk in Fühlung zu stehen. Allein man hat es versäumt. Der Strich gehört dem Zeichen Kiën an, strebt also nach oben, vom Volk unten weg. Damit zieht er sich jedoch Unheil zu. Auch die entsprechende Neun auf drittem Platz des vorigen Zeichens ist vereinsamt. Aber dort ist die innere Gesinnung richtig, hier nicht.
Neun auf fünftem Platz bedeutet:
- Mit Weidenblättern bedeckte Melone:
verborgene Linien.
Da fällt es einem vom Himmel herunter zu. - Die Neun auf fünftem Platz verbirgt ihre Linien, weil sie in der Mitte und korrekt ist.
Da fällt es einem vom Himmel herunter zu
; denn der Wille lässt die Fügung nicht los.
Hier ist der Herr des Zeichens, der als Fürst im Zentrum an seinem korrekten und geehrten Platz steht, auf den sich die Worte des Kommentars zur Entscheidung: Wenn das Feste die Mitte und das Rechte trifft
beziehen. Kiën ist rund und symbolisiert daher die runde Frucht. Diese Frucht ist eine Melone, die dem dunklen Prinzip angehört, weil sie den Yinstrich zu Anfang repräsentiert. Sie wird bewahrt und mit Weidenblättern zugedeckt. Kein gewaltsamer Eingriff findet statt. Die ordnenden Linien der Gesetze, auf denen die Schönheit des Lebens beruht, werden verdeckt. Man überlässt die Frucht, die man in Verwahrung hat, ganz ihrer natürlichen Entwicklung. Da reift sie von selbst heran. Sie fällt einem zu. Es ist nicht gemacht, sondern von der Fügung, an die man sich hält, so bestimmt.
Oben eine Neun bedeutet:
- Er kommt mit seinen Hörnern entgegen.
Beschämung. Kein Makel. Er kommt mit seinen Hörnern entgegen.
Oben ist es zu Ende, daher Beschämung. Kiën ist der Kopf, hier die höchste Stelle, die zudem hart ist, daher das Bild der Hörner. Man ist ganz anders gerichtet als der Anfangsstrich, dem man entgegenkommen soll. Man begegnet ihm hart, daher ist ein Zusammenkommen sehr schwer. Das führt zu Beschämung. Aber man sucht eine Begegnung nicht zu erzwingen, darum zieht man sich zurück ohne Makel.