Schule des Rades
Richard Wilhelm
I Ging · Das Buch der Wandlungen
Drittes Buch: Die Kommentare — Zweite Abteilung
61. Dschung Fu - Innere Wahrheit
Kernzeichen:Gen und Dschen |
Die Reihenfolge
Vermischte Zeichen
Das Urteil
Fördernd ist es, das große Wasser zu durchqueren.
Fördernd ist Beharrlichkeit.
Kommentar zur Entscheidung
Schweine und Fische. Heil!
Die Macht des Vertrauens erstreckt sich selbst auf Schweine und Fische.
Fördernd ist es, das große Wasser zu durchqueren.
Man bedient sich der Höhlung eines hölzernen Schiffs. Innere Wahrheit und die Beharrlichkeit zur Förderung: damit entspricht man dem Himmel.
Heiterkeit und Sanftheit sind die Eigenschaften der beiden Zeichen: Dui, Heiterkeit in der Nachfolge des Guten, und Sun, sanftes Eindringen in die Herzen der Menschen. So gewinnt man die Grundlage des Vertrauens, die nötig ist, um ein Land umzugestalten.
Schweine und Fische sind die ungeistigsten Geschöpfe. Wenn selbst sie beeinflusst werden, zeigt das eine große Macht der Wahrheit.
(Bemerkung: Eine andere Auffassung gibt Dschou I Hong Gie. Er nimmt die beiden Worte zusammen als Schweinsfische = Delphine.
Die Delphine entstehen im Meer(Dui)
und zeigen den Schiffen(Sun)
an, wenn ein Wind kommt. Sie sind zuverlässige Sturmboten, daher das Symbol der inneren Wahrheit. Der Wind, der kommt, macht sich durch sichere Zeichen erst bemerkbar, so dass die Delphine an die Oberfläche kommen. So ist innere Wahrheit das Mittel, die Zukunft zu verstehen.Der Gedanke ist sehr gut. Nur entstammt das Buch der Wandlungen einer Zeit, da das Meer noch nicht in den Gesichtskreis Chinas eingetreten war.)
Holz und Wasser, Holz und Höhlung werden als Bild des Schiffes gedeutet, mit dem man den großen Strom durchqueren mag.
Das Bild
das Bild der inneren Wahrheit.
So bespricht der Edle die Strafsachen,
um Hinrichtungen aufzuhalten.
Die einzelnen Linien
Anfangs eine Neun bedeutet:
- Bereit sein bringt Heil.
Sind Hintergedanken da, so ist das beunruhigend. - Das Bereitsein der Anfangsneun bringt Heil:
der Wille hat sich noch nicht verändert.
Das Zeichen, das mit bereit
übersetzt ist, bedeutet ursprünglich das Opfer am Tag nach der Beerdigung, und von da aus gewinnt es die Bedeutung der Vorbereitung. Das Zeichen Yen, Ruhe (in beunruhigend), heißt eigentlich Schwalbe, wird aber seit alters im Sinne von An, Ruhe, mit verwendet. Der Strich ist stark und zuverlässig, in sich ruhend und bereit. Sein Wille ist von außen her unbeeinflusst. Die Hintergedanken werden nahegelegt durch die Beziehung des Entsprechens zur Sechs auf viertem Platz. Aber im Zeichen innere Wahrheit
sollen keine geheimen Sonderbeziehungen stattfinden.
Neun auf zweitem Platz bedeutet:
- Ein rufender Kranich im Schatten.
Sein Junges antwortet ihm.
Ich habe einen guten Becher. Ich will ihn mit dir teilen. Sein Junges antwortet ihm.
Das ist die Zuneigung des innersten Herzens.
Der Kranich ist ein Seevogel, der im Herbst ruft. Dui bedeutet See und Herbst. Das Kernzeichen Dschen bedeutet Neigung zum Rufen, daher das Bild des rufenden Kranichs. Er ist unterhalb des Kernzeichens Berg, im Schatten von zwei Yinstrichen, inmitten des Sees, daher im Schatten
. Sein Sohn ist die Anfangsneun, die mit ihm gleicher Art ist und zum selben Körper (dem unteren Zeichen) gehört. Nach einer anderen Auffassung würde die Beziehung zur Neun auf fünftem Platz gehen. Dies – die Wirkung in die Ferne – wird eigentlich durch die Erklärung Kungtses (vgl. Buch I) noch mehr nahegelegt. Der Becher und das Trinken werden aus der Bedeutung von Dui = Mund abgeleitet.
Sechs auf drittem Platz bedeutet:
- Er findet einen Genossen,
bald trommelt er, bald hört er auf.
Bald schluchzt er, bald singt er. Bald trommelt er, bald hört er auf.
Der Platz ist nicht der gebührende.
Eine weiche Linie auf festem Platz auf dem Gipfel der Heiterkeit lässt die Selbstbeherrschung vermissen. Die Linie wird angezogen von der oberen Neun, findet aber – da Anziehungen gegen den Geist des Zeichens sind – keine feste Stellung; aber ebensowenig zu der benachbarten und gleichgearteten Sechs auf viertem Platz, die wohl mit dem Genossen gemeint ist. Trommeln war im chinesischen Altertum das Zeichen zum Vormarsch; der Rückzug, das Aufhören des Angriffs, wurde durch das Schlagen eines metallnen Gongs bezeichnet. Der Strich steht in den beiden Kernzeichen Dschen und Gen, von denen das eine Erregung, das andre Stillehalten bedeutet. Der Wechsel von Schluchzen und Lachen ist durch das Zeichen Dui und das Kernzeichen Dschen bedingt.
Sechs auf viertem Platz bedeutet:
- Der Mond, der beinahe voll ist.
Das Gespannpferd geht verloren.
Kein Makel. Das Gespannpferd geht verloren.
Er trennt sich von seiner Art und wendet sich nach oben.
Das Gespannpferd ist die Sechs auf drittem Platz. Aber die Gleichartigkeit wirkt nicht bestimmend. Der Strich ist korrekt an seinem Platz und in der Beziehung des Empfangens zum Herrn des Zeichens, der Neun auf fünftem Platz, dem sie als Minister zur Seite steht. Daher die Abwendung vom Artgenossen und die Hinwendung zum Höheren.
Neun auf fünftem Platz bedeutet:
- Er besitzt Wahrheit, die verkettet.
Kein Makel. Er besitzt Wahrheit, die verkettet.
Der Platz ist korrekt und gebührend.
Das Verketten als Bild kommt von der Bedeutung des oberen Zeichens Sun = Strick und des oberen Kernzeichens Gen = Hand. Im übrigen ist durch die korrekte, zentrale und geehrte Stellung die Wirkung des Strichs als Herr des Zeichens gezeigt.
Oben eine Neun bedeutet:
- Hahnenruf, der zum Himmel dringt.
Beharrlichkeit bringt Unheil. Hahnenruf, der zum Himmel dringt.
Wie könnte der lange dauern?
Sun hat als Tier den Hahn. Der Hahn will zum Himmel fliegen, aber das kann er nicht. So kommt nur der Ruf hinaus (Sun bedeutet das Ausrufen, das wie der Wind überall hindringt). Das bedeutet eine Übertreibung. Die Äußerung ist stärker als das Gefühl. Das gibt falsches Pathos, weil es mit der inneren Wahrheit nicht zu vereinigen ist. Das führt auf die Dauer zum Unheil. Der Strich ist zu stark an der exponierten Stelle und wird von der Kraft des Zeichens nicht mehr getragen, daher dieses Unheil.