Schule des Rades

Richard Wilhelm

I Ging · Das Buch der Wandlungen

Drittes Buch: Die Kommentare — Zweite Abteilung

I D E O G R A M M

39. Giën - Das Hemmnis

Kernzeichen:Li und Kan
Der Herr des Zeichens ist die Neun auf fünftem Platz. Darum heißt es im Kommentar zur Entscheidung: Er geht hin und erlangt die Mitte. Was im Urteil als der große Mann bezeichnet ist, bezieht sich immer auf den fünften Platz.
Die Reihenfolge
Durch Gegensatz entstehen notwendig Schwierigkeiten. Darum folgt darauf das Zeichen: das Hemmnis. Hemmnis bedeutet Schwierigkeit.
Vermischte Zeichen
Hemmnis bedeutet Schwierigkeit.
Der Gedanke der Hemmung wird dargestellt durch die Gefahr (Kan) außen, angesichts deren man innen stehenbleibt (Gen). Hierin besteht der Unterschied von Nr. 4, Jugendtorheit, wo die Gefahr innen und das Stehenbleiben außen ist. Das Hemmnis ist kein dauernder Zustand, darum ist im Zeichen alles darauf angelegt, wie das Hemmnis überwunden werden kann. Das geschieht dadurch, dass der starke Strich nach außen auf den fünften Platz geht und von dort aus eine Gegenbewegung einleitet. Nicht durch Vorwärtsdrängen in die Gefahr hinein wird sie überwunden, auch nicht durch untätiges Stehenbleiben, sondern durch Rückwärtsgehen, Nachgeben. Daher weist der Text auf die Worte des Zeichens Nr. 2, Kun, das Empfangende, hin. Kun ist im Südwesten, es ist die Erde, das Ebene, dort sind die Freunde. Gen ist im Nordosten, es ist der Berg, das Steile, dort ist es einsam. Zur Überwindung der Gefahr bedarf es der Gemeinsamkeit, daher Rückgang. Der große Mann wird gesehen, weil er an der Spitze des Kernzeichens Li, das Licht und Auge bedeutet, steht. Die angedeutete Bewegung kommt auch bei den einzelnen Linien zum Ausdruck.
Das Urteil
Das Hemmnis. Fördernd ist der Südwesten.
Nicht fördernd ist der Nordosten.
Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen.
Beharrlichkeit ist von Heil.
Kommentar zur Entscheidung
Hemmnis bedeutet Schwierigkeit.
Die Gefahr ist vor einem.
Die Gefahr sehen und stehenzubleiben verstehen, das ist Weisheit.
In Hemmnis ist fördernd der Südwesten: denn er geht hin und erlangt die Mitte. Nicht fördernd ist der Nordosten:
denn dort geht der Weg zu Ende.
Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen: denn er geht hin und erwirbt sich Verdienste. Auf dem rechten Platz ist Beharrlichkeit von Heil, weil dadurch das Land in Zucht kommt.
Die Wirkung einer Zeit der Hemmung ist wahrlich groß!
Die Gefahr – das Zeichen Kan – ist vorne. Die Gefahr zu sehen – oberes Kernzeichen Li, das Licht, das Auge – und rechtzeitig stehenzubleiben – inneres Zeichen Gen, das Stillehalten –, ist wirkliche Weisheit, im Gegensatz zur Jugendtorheit, bei der die Plätze von Gefahr und Stillstand vertauscht sind. Zur Beseitigung der Gefahr ist es wichtig, den ungefährlichen Weg zu gehen, nach Südwesten zu, wo man die Mitte bekommt, d. h. sich umgeben sieht von Gehilfen: die Neun auf fünftem Platz tut das. Wenn der Herr des Zeichens im äußeren Zeichen steht, heißt es er geht hin, steht er im inneren, so heißt es: er kommt her. Im Nordosten (Norden = die Gefahr, Nordosten = der Berg) kommt man auf einen ungangbaren Weg, der nicht weiterführt. Günstig ist es, den großen Mann zu sehen – die Neun auf fünftem Platz, die an der Spitze des Kernzeichens Li steht –; durch Hingehen wird etwas erreicht: Indem der Herr des Zeichens hingeht, nimmt er an der nach abwärts gerichteten Bewegung des Zeichens Kan, Wasser, teil, das der Erde zufließt und so etwas fertigbringt. Auf dem rechten Platz beharren bringt Heil: denn die Tätigkeit ist nicht nach außen, sondern nach innen, aufs eigne Land gerichtet. Die Wendung nach innen wird durch Hemmnisse erreicht, und die durch diese Wendung (Bekehrung) verursachte Besserung ist der große Wert, den die Wirkung einer Zeit der Hemmnisse hat.
Das Bild
Auf dem Berg ist das Wasser: das Bild des Hemmnisses.
So wendet sich der Edle seiner eigenen Person zu
und bildet seinen Charakter.
Das Wasser auf der Spitze des Berges kann nicht seiner Natur entsprechend nach unten fließen, weil es behindert ist durch Felsen. Es muss stillestehen, dadurch vermehrt es sich, und durch diese innere Anhäufung wird es so groß, dass es die Hindernisse überfließt. Der Ausweg aus Hemmnissen ist die Wendung nach innen und Steigerung des eigenen Wesens.

Die einzelnen Linien

Anfangs eine Sechs bedeutet:
  1. Gehen führt in Hemmnisse, Kommen findet Lob.
  2. Gehen führt in Hemmnisse, Kommen findet Lob, weil es richtig ist, abzuwarten.

Hingehen, wie es dem Anfangsstrich naheläge, würde in die Gefahr hineinführen. Zurückkommen entspricht dem Zeichen Gen, das Stillehalten.

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
  1. Des Königs Diener ist in Hemmnis über Hemmnis.
    Aber es ist nicht seine eigene Schuld.
  2. Des Königs Diener ist in Hemmnis über Hemmnis. Aber das ist endgültig kein Makel.

Die Sechs auf zweitem Platz steht zum Herrn des Zeichens, Neun auf fünftem Platz, im Verhältnis des Entsprechens. Der Herr steht im Mittelpunkt der Gefahr (oberes Trigamm Kan); der Diener eilt ihm zu Hilfe. Sein Weg führt durch das Kernzeichen Kan, so dass sich Hemmnis über Hemmnis findet. Aber diese Situation ist nicht durch die eigne Lage bedingt: die Sechs auf zweitem Platz steht im Zeichen Gen, Stillstand, braucht von sich also nicht in diese Gefahren. Die Pflicht des Verhältnisses zum Herrn führt sie hinein. Darum ist sie auch in der gefährlichsten Lage ohne Fehler.

Neun auf drittem Platz bedeutet:
  1. Gehen führt in Hemmnisse; da kommt er zurück.
  2. Gehen führt in Hemmnisse; da kommt er zurück.
    Die drinnen freuen sich darüber.

Der starke Strich ist der Herr des Zeichens Gen, auf dem die beiden Schwachen beruhen. Durch seine Stärke könnte er veranlasst werden, nach außen zu gehen, doch da trifft er auf das Zeichen Gefahr. So wendet er sich zurück, und die Sechs auf zweitem Platz, die zu ihm im Verhältnis des Zusammenhaltens steht, freut sich darüber.

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
  1. Gehen führt in Hemmnisse,
    Kommen führt zur Vereinigung.
  2. Gehen führt in Hemmnisse, Kommen führt zur Vereinigung.

Auf dem gebührenden Platz findet man Unterstützung. Die Sechs auf viertem Platz steht an sich in Beziehung zur oberen Sechs, aber wollte sie hingehen, so fände sie dort auf der Höhe der Gefahr eine schwache Linie. Zurückkunft auf den eigenen Platz führt zur Vereinigung. Der vierte Platz ist der Platz des Ministers, der nach oben hin dem starken Herrn, Neun auf fünftem Platz, dient und von unten her von dem starken Gehilfen, Neun auf drittem Platz, getragen wird. Mit diesen beiden starken Strichen findet sich auf dem gebührenden Platz – einer weichen Linie gebührt der dunkle vierte Platz – Vereinigung.

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
  1. Inmitten der größten Hemmnisse kommen Freunde.
  2. Inmitten der größten Hemmnisse kommen Freunde: denn sie werden durch die zentrale Stellung geregelt.

Der fünfte Strich ist der Herr des Zeichens. Er befindet sich als Mittelstrich des oberen Zeichens Kan im Zentrum der Gefahr, also in den größten Hemmnissen. Aber er steht zur Sechs auf zweitem Platz und Sechs auf viertem Platz und zur oberen Sechs in Beziehung, die als Freunde ihm zu Hilfe kommen, weil er sie durch seine zentrale Stellung beherrscht.

Oben eine Sechs bedeutet:
  1. Gehen führt in Hemmnisse, Kommen führt zu großem Heil.
    Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen.
  2. Gehen führt in Hemmnisse, Kommen führt zu großem Heil:
    denn der Wille ist aufs Innere gerichtet. Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen: denn so folgt man einem Vornehmen.

Wenn die obere, schwache Linie allein hingehen und die Hindernisse überwinden wollte, so müsste sie Misserfolg haben. Ihre Natur – ihr Wille – weist sie auf den zu ihr im Verhältnis der Entsprechung stehenden großen – d. h. starken – Strich, Neun auf drittem Platz. Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen; denn Neun auf fünftem Platz, der große Mann des Zeichens, steht auf der Höhe des Kernzeichens Li – Auge, Licht –. Man sieht ihn, indem man gemeinsam mit der Neun auf drittem Platz ihm als dem Vornehmen nachfolgt, unter dessen Leitung die Hemmnisse überwunden werden.