Geschichte der Denkstile
Daß sich Wissenschaftler, insbesondere Philosophen, allgemein verständlich ausdrücken, gehört zu den ganz großen Seltenheiten. Die meisten vertreiben ihre Kenntnisse in jener Geheimsprache, die nur Gleichgebildete verstehen und die den blutigen Laien einfach ausschließt. Um so bemerkenswerter ist die Ausnahme dieser Regel. Es handelt sich um eine Geschichte der Philosophie, die allerdings in nichts den bisher üblichen chronologischen Systemen gleicht, sondern die das Denken als solches von den ersten Anfängen der Menschheitsgeschichte bis zur neuen Denkform, dem Strukturalismus, nach seinen Inhalten unter die Lupe nimmt.
Das «kosmische Denken», das bis zur ägyptischen Hochkultur den Menschen leitete, wird vom «mythischen Denken» abgelöst, das vor allem in China und Indien die Gedankenwelt der Menschen formte, aber auch den Götterhimmel Griechenlands bevölkerte. Bis mit dem logischen Denken die eigentliche Schulphilosophie anhebt. Mit dem «theologischen», dem «theokratischen» und schließlich dem «scholastischen Denken», mit dem die philosophische Führung wieder nach Europa zurückkehrt, schließt der erste Teil, den Keyserling als «Die objektiven Denkstile» bezeichnet. Mit dem humanistischen Denken beginnen die subjektiven Denkstile, die den Rationalismus, den Idealismus, das soziologische, das wissenschaftliche und schließlich das ganzheitliche Denken umfassen.
Was dieses Werk so faszinierend macht, ist die Tatsache, daß es nichts, was dem Menschen im Laufe seiner Geschichte als «denkwürdig» erschien, ausklammert. Die Tierkreiszeichen sind ebenso einbezogen wie der I Ging, die Tongesetze werden ebensowenig übergangen wie etwa die Zehn Gebote; von Freud bis C.G. Jung ist die Psychoanalyse vertreten ebenso wie die indische Esoterik oder der Schöpfer des Zwölftonspiels, Josef Matthias Hauer, oder Teilhard de Chardin. Was immer menschliches Denken prägte, ist hier auf kürzesten und stets verständlichen Nenner gebracht.