Schule des Rades

Arnold Keyserling

Der Traum vom Paradies

IV. Inkarnations­erinnerungen

Der Weg der Rückführung

Es gibt zwei Arten der Rückführung: jene von Stanislav Grof und anderen, die vom jetzigen Zeitpunkt hypnotisch zurückgeht bis in die Jugend, zur Geburt, zum Mutterleib, zur embryonalen Existenz, zur Befruchtung, zum Dasein vor der Empfängnis, und zu früheren Existenzen. Und eine andere, die von den Indianern in Florida stammt, und in der man von jetzt zurückgeht in jene frühere Existenz, die für die jetzige wichtig ist, und vor allem die Zeit des Sterbens und nach dem Tode wiedererlebt. Die Fragen des Begleiters richten sich an das Denken, die hintere Gehirnzone, daher kommt es zu keiner Erinnerung traumatischer Erlebnisse — es sei denn, man fragt den Adepten, wie er sich fühlt, während er aufgehängt wurde z. B.: sofort assoziiert die rechte Traumhemisphäre Angst und Schmerzen. Im rein sprachlichen Gedächtnis sind diese nicht vorhanden.

Ich habe mich mit beiden Modalitäten eingehend beschäftigt. Erfahrung des Treffens der Angehörigen nach dem Tod, wie sie Moody und Elisabeth Kübler-Ross berichten, ist mir bei keinem der über 500 Fälle begegnet. Bei allen ist der Tod eine Befreiung, und in diesem Augenblick bildet sich eine Motivation: das, was einem am meisten gefehlt hat, wird zum Wunsch der Wiedergeburt. Man hat keinen Körper, sondern das Gewahrsein ist entweder punkthaft oder wird als geometrische Figur erlebt. Ferner taucht bei den meisten Menschen eine Lichtquelle auf, der man sich nähert und die man als Schutz und Forderung erlebt; oft findet sie sich am Ende eines langen Tunnels. Wer nun dieses Licht fragt, kann darin zusätzlich zu seiner Motivation zu einer Intention für das neue Leben finden.

Die Zwischenzeit der Existenzen sieht wie unser Nachthimmel aus; selten nimmt man Wesen dort wahr, wenn ja, dann meistens in der gleichen geometrischen Form, in der man sich erlebt; von Paradies ist also keine Rede, es sei denn, es gelingt einem Menschen an der Lichtquelle vorbeizufliegen und in eine andere Gegend zu kommen.

Ich selbst und etwa zehn von jenen, mit denen ich diesen Ritus durchführte, haben diese Sphäre erlebt. Für mich waren es dort unglaublich schöne Wesen, bei denen jede Bewegung der Hände sogleich ein geometrisches Kunstwerk erzeugte. Eine Griechin erlebte diese Wesen als weiß, sich selbst noch als halb schwarz; sie sprechen nicht, sondern sie lächeln nur, und einmal so zu werden wie diese, war fortan ihre stärkste Motivation. Der Eindruck ist so stark, dass man die musikalisch-reigenhaften Schilderungen sehr wohl als Versuch werten kann, diese Sphäre irgendwie zu beschreiben.

Das innere geführte Sehen kann den Ort vermitteln, doch nur das echte Fragen kann eine lebendige Antwort geben, auf die man selbst zurückantwortet, oder besser sich ihr überantwortet.

Arnold Keyserling
Der Traum vom Paradies · 1995
Studienkreis KRITERION
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